Kuba Tag 4: Havanna, Pinar del Rio, Viñales – Der wilde Westen

Nur halb so wild...

geschrieben von Janni Donnerstag, 28. Juli 2016 um 01:15 Uhr

Heute geht es für uns in den „wilden Westen“, genauer gesagt nach Viñales. Wir werden wieder anderthalb Stunden vor der Abfahrt geweckt – ich wieder zweimal, diesmal aber zuerst von einem Menschen und dann vom Computer. Zum Vergleich: In vorherigen Rundreisen bin ich etwa 35 Minuten vor der Abfahrt aufgestanden.

Hotelbewertung

SterneHotelnameZimmer
5Melía Hoteles Tryp Habana LibreDZA Twin, 1921
HotelBusiness-Hotel mit Pool. Leider mit vier funktionsfähigen Fahrstühlen auf über 600 Zimmer zu wenig.8/10
LageMitten im Zentrum. Ziemlich touristisch, aber trotzdem OK.8/10
ZimmerSehr groß und eigentlich sehr gut. Tolle Aussicht. Fenster leider nicht zu öffnen. Deutsche Fernsehsender: DW-Deutsch8/10
BadezimmerZu groß, Klopapierhalter sehr weit vom Klo weg. Duschen-Typ: Badewanne.7/10
SauberkeitOK.9/10
ServiceGut.8/10
FrühstückAuswahl wie Fick. So viel, dass ich die Butter nicht gefunden habe, obwohl mir im Nachhinein erzählt wurde, es habe sogar zweimal Butter gegeben. Man konnte sich auch Eier nach Wunsch braten lassen.9/10
GesamtwertungWeiterempfehlung: ja8/10

Da wir um 9 losfahren, werden wir also um 7:30 geweckt. Die Koffer müssen um 8 Uhr draußen stehen. Als ich um 8:20 zum Frühstück gehe, stehen die Koffer aber immer noch da. Auch der Tag-der-offnenen-Tür-Fahrstuhl steht immer noch auf meiner Etage. Ist wohl eher eine Woche der offenen Tür...

Russische Botschaft
Die Russische Botschaft steckt jetzt hier.

Auf der Fahrt in Richtung Viñales müssen wir zuerst wieder am Malecón vorbei. Die Mafiosi, die im nahen Hotel Nacional residierten, hatten ihrerzeit versucht, ihre Geschäftsfelder zu legalisieren. In den 50ern gab es sogar einen Jinetera-Katalog. Die Nutten, die sind nämlich raffiniert. Die nehmen die Kohle an. Und das klappte ziemlich gut, weil die Amerikaner in Massen kamen um zu tun, was da verboten waren. Kuba nannte man daher „das Bordell der USA“.

Wir fahren am Riviera-Hotel, dem ersten Hotel mit Klimanlage, vorbei in Richtung des Diplomatenviertels Miramar. Auffälligste Botschaft ist die russische, die in Form eines im Boden steckenden Schweres angelegt ist.

Die Vögel, die hier oft zu sehen sind (auch auf dem Bild der russischen Botschaft), sind übrigens Truthahngeier. Die sind ziemlich häslich, weil sie so eine rote Maske aufhaben (und in deren Nest liegt sicher Stroh rum).

Man vermutet, dass auch Fidel Castro hier irgendwo wohnt. In einigen Teilen, wo viele Paläste stehen, ist das Parken und Fotografieren verboten. Wohl da irgendwo. Hinter vielen Mangobäumen.

Wir kommen an einem Vergnügungspark vorbei, der nur am Wochenende auf hat. Wenn man da einem vom TÜV hinschicken würde, würde der Mitarbeiter definitiv an einem Herzinfakt sterben. Oder kündigen. Oder beides.

Kommen wir zu einm paar Informationen über Kuba:

Wir fahren über die Autobahn. Die hat hier drei Spuren pro Richtung. Es ist aber sehr wenig los. Da macht es auch nichts, dass Pferdekutschen, Fahrräder und Fußgänger die Autobahn benutzen. Das mit dem permanenten Linksfahren und Rechtsüberholen, was ich im ersten Post angesprochen habe, ist hier wirklich nochmal. Man fährt da, wo die Spur am besten ist und überholt da, wo es gerade passt.

Sierra del Rosario
Sierra del Rosario („Rosengranzgebirge“). Ein bisschen Erderotik zwischen so viel Text.
Reisfeld
Reisfeld
Touristenbaum
„Touristenbaum“

Die Zeit nach der Wende wird in Kuba auch „Spezialperiode in Friedenszeiten“ genannt. Bis dahin wurden 85% der Lebensmittel importiert. Der Zusammenbruch der Sowjetunion brachte das Land über Nacht in eine schlimme Krise. Neben Nahrung fehlten auch Brennstoffe und damit Strom. Bei diesem Klima keinen Kühlschrank zu haben, ist schon ziemlich doof. Zunächst wurde das Reserveessen des Militärs vergeben, danach wurde stark rationiert. Anders als sonst gab es auch keine weise Erklärung von Castro.

Die Kubaner begannen, Schnitzel aus Grapefruit-Schale herzustellen. Dabei hassen Kubaner sauren Geschack; Grapefruits waren nur für den Export. Plötzlich waren Katzen und Hunde verschwunden. Nach dieser Phase 1990 bis 1994 folgte die Öffnung für den internationalen Markt und den Tourismus. Das stärkt meinen Glauben, dass die Marktwirtschaft wirklich das sinnvollste Wirtschaftsmodell ist.

Lebensmittelkarten gab es in Kuba auch vorher schon, nämlich seit 1961.

Es gab drei große Flüchtlingswellen in der kubanischen Geschichte. Eine vierte beginnt gerade.

  1. 1959 flohen vor allem Batista-Anhänger und Enteignete, ebenso wie die Elite. Miami ist die Stadt mit der zweitgrößten Zahl kubanischer Einwohner. Wer gestern den verlinkten Trujillo-Artikel gelesen hat, erkennt da gewisse Parallelen zu anderen Ländern. Unter Batista ging es etwa 2 Millionen von 7 Millionen Einwohnern gut. Die Revolutionäre hatten die Idee, den armen Osten der Insel durch einen Kanal abzutrennen.
  2. Über den von Brasilien finanzierten Hafen Mariel westlichen von Havanna flohen 1980 fast 125.000 Menschen, Marielitos genannt. Ein amerikanischer Radiosender hatte die Information verbreitet, man könnte mit peruanischem Visum in die USA einwandern. Vor der peruanischen Botschaft war viel los. Dabei starben zwei Wachpolizisten. Der Mörder fand in der Botschaft Zuflucht, was eine Krise zwischen Kuba und Peru auslöste. Kuba drohte damit, die Botschaft einfach nicht mehr zu bewachen und die Menge auf die Botschaft loszulassen. Leute, die Verwandte in den USA hatten, durften Kuba verlassen, wenn sie denn weg kämen. Die Verwandten haben meist Schiffe geschickt und noch einige andere Leute mitgenommen.
  3. In der Krise Anfang der 90er. Hier wurden teilweise Flöße gebaut. Auf dem Malecón fand eine Demonstration statt. Fidel fragte, was die Leute denn wollen, und zeigte sich uneinsichtig: „Na denn geht doch“. Wer trockenen Fußes Amerika erreicht, darf da bleiben. Wer auf dem Meer aufgegriffen wird, muss zurück und muss Einschränkungen beispielsweise bei der Berufswahl befürchten. Dies ist ein Kompromiss, um mit der großen Zahl von Flüchtlingen klar zu kommen.

In diesen Tagen ist die Strömung wieder günstig. Im Optimalfall schafft man die Überfahrt in drei Tagen. Über 70 US-Schiffe haben aber was dagegen...

Genug Geschichte. Wir fahren in die Provinz Pinar del Rio, „Kiefernwald am Fluss“. Der Name kommt daher, dass nur hier eine tropische Kiefer wächst. Außerdem wird hier Reis angebaut und es wächst hier ein Baum, der bei den Kubanern als „Der Tourist“ bekannt ist. Und das nicht, weil er supergeil ist und öfter bei Edeka einkauft. Er ist zu Anfang grün, wird dann rot und fängt an, seine Rinde zu verlieren. Das erinnerte die Kubaner in die Kanadier. Außerdem wächst hier eine Sorte von Palmen, die unten dicke Bäuche haben. Auf deutsch nennt man sie schwangere Palmen, auf spanisch bäuchig, barrigonas. Und so heißt die Raststätte, bei der wir heute Rast machen. An der Theke hängt eine Umrechnungstafel zur Umrechnung von Dollar in Pesos. Für Menschen, die nicht ×25 rechnen können. In 5-Cent-Schritten von 0,05 bis 13,80...

Wir machen zu lange Rast. Eigentlich waren 10 Minuten angesetzt, tatsächlich waren es 30. Und deshalb müssen wir uns zum Zigarrenladen der Rumfabrik in der gleichnamigen Provinzhauptstadt Pinar del Rios beeilen, da der schon um 12 zu macht. Wir erreichen ihn noch rechtzeitig. 10 Minuten nach uns kommt sogar noch eine Gruppe. Ich kaufe nur ein paar Cracker.

Die Stadt Pinar del Rio hat 190.000 Einwohner. Inzwischen geht es denen auch recht gut.

Bohio
Trockenschuppen (Bohio)

Mittag essen wir in einem privaten Restaurant. Die nennt man hier Paladar. Das hat was mit dem Wort für Gaumen zu tun und kommt von einem Restaurant in einer Telenovela. Telenovelas sind hier sehr wichtig. Sie kommen meist aus Brasilien oder Mexiko.

Wie man schon erahnten kann, ist der Ausblick auf das Tafel von Viñales vom Restaurant aus fantastisch:

Tal von Viñales
Erderotik auf ganz hohem Niveau
Die Felsen sind aus Kalk und sind entstanden, als der Rest durch Wasser weggespühlt wurde.
Paladar-Katze
Die Restaurantkatze ist diesen Anblick wohl schon gewohnt und macht erstmal Gesichtskirmes.

Anschließend machen wir eine kleine Wanderung zum Mural de la Prehistoria. Dabei sehen wir einige interessante Pflanzen, unter anderem Mango und Kaffee. Shell hat ein paar Solarmodule für diese zuvor stromlose Gegend gesponsert. Seitdem kann man hier öfter laute Musik und die Telenovelas hören.

Mural de la Prehistoria
Tor zum Mural de la Prehistoria
Dicke Menschen können das Mural de la Prehistoria nicht besuchen.

Dort gibt uns die Reiseleitung einen Piña Colada aus. Der hier ist besonders und besteht, wenn ich richtig spioniert habe, aus einer halben etwa 1 cm dicken Scheibe Ananas, einer Tasse Milchpulver, einer halben Tasse Zucker, einer Tasse Kokosmilch und Eiswürfeln. Das alles wird gemischt und vorm Servieren wird noch etwas Zimt aufgestreut. Wer trotzdem noch Rum braucht, kann ihn sich drauf kippen.

Das Bild oben ist übrigens 120×80 Meter groß und entstand um 1960 herum.

The Mural, one of the larg est[sic!] in the world, represents the life of the first inhabitants of the Cuban archipelago. During the early days of 1959, Dr. Antonio Núñez Jimenez told Fidel Castro and Celia Sanchez about his visits to these mountains and how he had found fossils of fish, skull[sic!] of big saurians and evidence of aborigine settlements found in local caves. This talk led the idea of a pictoral mural on the wall of this mogote. On September 11 the work was carried out to clean the rock. Painting began in March 1960, and lastes four years. The Cuban painter Leovigildo Gonzalez who had studied with the great muralist Diego Rivera, was chosen for the task. The painting has surface[sic!] area of 80 meters in height and 120 meters in lenght[sic!] and the lines were drawn by farmers of the locality who hung by strong hopes of henequen fiber attached to parachuse harnesses and directed from the group by the painter. The Megalocnus, Plesiosaurus, the Ammonites and the other figures descibe the evolution of the life in Cuba, that was set down for theposterity[sic!] in the Mural of the Prehistory and it represents the great biological and geological process that took place in this territory.
Symbol für Privatwohnungen
Casa Particular: Room for Rent
(und bestimmt auch Rum for Sale)

Wir fahren durch Viñales, wo sehr viele Leute ihre Wohnung an Touristen vermieten. Die Stadt ist recht belebt.

Wir erreichen das Hotel. Ich ruhe mich erstmal aus und schreibe diesen Blogpost. Draußen am Pool läuft unter anderem ein Cover von Miley Cyrus’ Wrecking Ball im karibischen Stil. Diese Art der Musik finde ich ganz OK, anders als das gestern.

Um halb acht essen wir in einem nahen Restaurant zu Abend. Einige von uns wollen Sandwiches, aber es gibt kein Brot. „Das ist Kuba“, sagt Annemarie.


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