Kuba Tag 2: Havanna – Neue Geschäftsbereiche
Durch die zunehmenden liberalisierenden Reformen können die Kubaner auch selbst Geschäftsleute sein.
Ich werde pünktlich um 7 geweckt. Sogar zweimal. Einmal wohl von einem Computer, der sich nach dem Abheben des Telefonhörers nicht meldet, und einmal von einem Menschen. Die Sonne geht auf und bietet Gelegenheit, die HDR-Funktion des Handys auszuprobieren, das ich mir vorgestern gekauft habe.
Nach dem Frühstück – das eine sehr große Auswahl bietet – gehe ich Zähne putzen. Aber nicht auf meinem Zimmer, weil ich die Aufzug-Rush-Hour ab 8 Uhr vermeiden möchte. Bei meiner Fahrt nach unten wurden bereits Aufzugoperatoren eingesetzt. Menschen mit diesem Beruf sind sicherlich Fans vom 1. FC Köln, denke ich mir.
Um 8:30 treffen wir uns und machen eine Vorstellungsrunde. Wir sind 16 Teilnehmer und haben aus den meisten Ländern mit Deutsch als Amtssprache jemanden dabei: Deutsche, Österreicher, Schweizer und eine Italienerin (Bozen). Fehlen also nur noch Luxemburg, Liechtenstein und Belgien. Und: Ich bin mal nicht der jüngste. Ein Mädchen ist hier. Sie ist 15 und da sie noch nicht volljährig ist, hat sie ihre Oma dabei (zählt das?). Die nächstältere Person nach mir ist 34, dann 42 glaube ich. Viele sind ebenfalls Lehrer. Ich als Referendar verdiene übrigens das 130-fache eines richtigen Lehrers ins Kuba (10 Dollar pro Monat). An dieser Stelle kann man mal eben anmerken, dass es zwei Währungen gibt: Den nicht konvertiblen Kubanischen Peso und den Konvertiblen Peso (CUP), seines Zeichens ebenfalls nicht konvertibel (CUC). Ein Konvertibler Peso ist ein US-Dollar oder fix 24 bzw. 25 Peso (je nachdem ob Ankauf oder Verkauf). Eine Banane kostet beispielsweise 1 Peso (also etwa 4 Eurocent). Ich werde von nun an den Konvertiblen Peso einfach weiter als Dollar bezeichnen.
Außerdem gibt es bei dem Treffen in Bar des Hotels beim Hotelpool noch ein paar Infos. Zum Beispiel sind Hotelverlegungen üblich. Wenn z.B. die Rolling Stones kommen und die 700 Zimmer des Tryp für sich haben wollen, müssen Reisegruppen halt 70 km außerhalb absteigen. So geschehen im März. Man steckt halt nicht drin.
Neben der Reiseleiterin Annemarie haben wir noch einen zweiten Reiseleiter Jaime (spanisch für Jakob) und den Fahrer David. Jaime hat in den 80ern in Weimar Ingenieurswesen studiert, aber nach der Wende ist alles zusammengebrochen. Er hat sich dann dem Tourismus zugewandt.
Wir fahren mit dem Bus von unserem Hotel im Stadtteil Vadado los. Hier ist auch das Hotel Nacional, das Mafiabosse gebaut haben, die hier ein zweites Las Vegas ausbauen wollten. Das Plan scheiterte mit der Volution 1959. Schräg gegenüber von unserem Hotel ist die Eisdiele „Coppelia“ aus dem Film „Erdbeer und Schokolade“. Die Schlange ist sehr lang. Zumindest für diejenigen, die in Peso zahlen. Touristen kommen schneller (aber auch teurer) an ihr Eis. Die Straße heißt Rampa und ist wie alle Straßen hier durchnummeriert. Das ist die 23. Straße. Sie führt zur Uferpromenade Malecón. Dort gibt es Frauen, die sich Jinetera nennen. Das Wort leitet sich vom spanischen Wort für Reiter ab. Wir kommen später nochmal zu denen, unterdessen könnt ihr euch mal überlegen, was das ist.
Ein großes Gebäude steht da. Es war mal als Bank geplant, aber nach der Revolution wurde es ein Krankenhaus. Ein Bankenhaus sozusagen. Okay, einen CUC ins Sparschwein.
Es stehen kaputte neben restaurierten Häusern. Häuser bei dem nahen Meer dauerhaft instand zu halten, ist auch schwer.
Wir kommen an der Hafeneinfahrt vorbei. Auf der anderen Seite der Einfahrt, La Cabaña, steht die Festung El Morro auf Muschelkalk. Der Tunnel unter der Hafeneinfahrt wurde unter Batista gebaut und 1958 eröffnet. Weil Batista einen Anschlag überlebt hat, ließ seine Frau dort eine Christusstatue bauen. Sie ist derzeit in Gerüsten versteckt. Anders als die Statue in Rio hat sie ihre Arme verschränkt. Die Kubaner sagen, Jesus verstecke auf der einen Seite Zigarren und auf der anderen Rum.
Direkt daneben ist Che Guevaras Haus. Aufgrund der vielen Menschen, die er hier umbringen ließ, lastet aber ein zweifelhaftes Erbe an ihm.
Von hier kann man Havanna gut überblicken:
An der Statue ist ein Markt für Touristen. Es gibt eine Box, die man nur öffnen kann, wenn man an den richtigen Ecken zieht, die hier auf dem zweiten Bild hervorstehen:
Uns kommen auf dem Weg zurück zum Bus ein paar Ziegen entgegen. Das käme Erdoğan sicher auch entgegen. Ziegen sind der „kubanische Rasenmäher“. Manchmal setzen sie auch Pferde ein. Als wir den Bus betreten, telefoniert Jaime. „Na?“, frage ich, „Doch ein neues Hotel?“.
Ebenfalls verkaufen Straßenhändler hier Erdnüsse. Die werden morgens frisch geröstet und gesalzen. Vier Tütchen, ich würde sagen zusammen knapp 100 Gramm, kosten 1 Dollar. Es gibt noch mehr typisches Straßenessen, das an Touristen verkauft wird. Frittiertes dreieckiges Gebäck zum Beispiel. Und Kunststudenten malen Karrikaturen von einem. All diese neuen Gewerbeformen sind erst seit kurzem möglich. Diese Menschen zahlen Steuern, die für die Restauration von Havanna verwendet wird. Ein weiterer verbreiteter Gewerbetyp ist, Waren im Eingang bzw. Treppenhaus seiner Wohnung anzubieten. Das gibt es im Zentrum von Havanna alle paar Meter.
Wir kommen zu einem Monument, bei dem ein Baum den Ort der Gründungsmesse von Havanna am 16.11.1519 markiert. Daneben ist der Waffenplatz (Plaza de Armas) und der Generalkapitänspalast. Da die Generäle ihre Ruhe haben wollten, haben sie die Straße davor aus Eisenbaumholz bauen lassen. Das heißt nicht umsonst so, denn es schwimmt nicht und wird deshalb als „Rettungsring für die Schwiegermutter“ bezeichnet. Schwiegermütterwitze sind wohl verbreitet in Kuba, sagt Annemarie.
Im Generalkapitänspalast steht eine Kolumbustatue, der allerdings nie hier war, obwohl er die Insel entdeckte (die Türken meinen übrigens, sie hätten die Insel noch früher entdeckt). Kolumbus hatte sich irgendwann mit dem spanischen Königshaus zerstritten und wollte nicht in spanischem Boden beerdigt werden. Also hat man ihn in diversen spanischen Kolonien umhergereicht. Manche Menschen sagen auch, er sei als Toter mehr gereist als als Lebender. Nach über 100 Jahren auf Kuba liegt er seit dessen Unabhängigkeit 1898 in Sevilla. Aber nicht begraben, sondern wird oberhalb der Erde aufbewahrt, also wunschgemäß nicht im spanischen Boden.
Der Palast hat diverse Räume. Wir schauen uns nur drei an. Bilder machen kostet 5 Dollar. Die spinnen, die Kubaner. Viel zu sehen gibt es ohnehin nicht: Ein paar Meißener Vasen, das Stadtwappen (mit den drei Festungen an der Hafeneinfahrt und einem Schlüssel, da alle Waren über Havanna mussten, das das Tor zur neuen Welt war) und eine Galerie der Unabhängigkeitskämpfer und erster Flaggenentwürfe. Lieblingskämpfer von Annemarie ist José Martí (1863–1942). Manche sagen, er sei mit der Feder stärker als mit der Waffe gewesen. Er ist nun Schutzpatron vieler Grundschulen. Es gibt auch einen Thronsaal. Rein darf man nicht. Ein König hat hier auch nie residiert. Aber man hat, was man hat. Erst 1999 war mit Juan Carlo das erste (und letzte) Mal der spanische König auf Kuba. Zum Besuch aber nur, das Land ist ja seit 1898 von Spanien und seit 1959 auch von den USA unabhängig.
Wir machen Kaffeepause. Ich gehe zum Geldumtausch. Aber es ist da sehr voll:
Wir kommen an einer Moschee vorbei, die vor kurzem von Erdoğan gebaut wurde. Es gibt allerdings kaum Muslime auf Kuba. Atheismus war lange die einzig erlaubte Religion. Erst seit Fidel 1996 in Rom und 1998 der Papst auf Kuba war, hat sich das etwas geändert.
Am Plaza de Francisco steht aber eine Kirche. Die war Teil eines Klosters und wurde in ihrer Geschichte diverse Male von Hurricanes weggefegt. Die heutige Kirche steht allerdings schon einige hundert Jahre da und ist aus Muschelkalk, den man von La Cabaña abgebaut hat. An weniger wichtigen Stellen der Kirche erkennt man deutlich, dass es sich um Muscheln handelte.
Vor der Kirche ist eine Statue vom Kavalier von Paris, einem spanischen Herummtreiber und irgendwie auch Hochstapler. Er hat nicht gebettelt sondern wurde von Freunden durchgefüttert, wobei er dies nie ganz ohne eigene Gegenleistung zuließ. Viele Leute lassen sich mit der Statue fotografieren. Unweit von hier ist der Kreuzfahrthafen. Seit Mai legen auch amerikanische Kreuzfahrtschiffe an.
Wir kommen zum Alten Platz, Plaza Vieja. Das ist der Vorzeigeplatz, der mit den Einnahmen aus dem Tourismus finanziert wurde. Bei einem spontanen Anflug von Größenwahn wollte man zeitweise stattdessen ein Amphitheater dort bauen. Hat man dann aber doch nicht gemacht:
Danach gehen wir auf dem Dach des Hotels Ambus Mundos essen. Unterwegs versuche ich, an einem Automaten Geld abzuheben. Der Automat gibt nach Auswahl des Betrages die Karte ohne Fehlermeldung zurück und zeigt den Startbildschirm an. Annemarie sagt, dass man in Kuba erst das Geld und dann seine Karte wiederkriegt, ich werde also zumindest nicht mein Geld im Automaten gelassen haben.
Zum Mittag gibt Sandwiches. Zwei Weißbrot-Sandwiches, etwas Salat (für den es übrigens kein Besteck gab) und ein ganz paar kalte Pommes kosten 6 Dollar.
Von dort oben im 6. Stock kann man z.B. den Generalkapitänspalast sehen:
Falls ihr euch jetzt fragt, was in dem komischen Loch unten rechts ist:
Während wir auf die Nachzügler vom Mittagessen warten, erzählt die Reiseleiterin was über die Jineteras, die Prostituierten am Malecón. Der Beruf ist hier viel weniger verrucht als in Deutschland. Er ist der Traumberuf vieler Mädchen, weil man dann hübsche Kleidung haben kann. Auch Familienmitglieder und Freunde wissen von dem Beruf. Sie übernehmen manchmal die Rolle eines „Beschützers“. Zuhälter im eigentlichen Sinne gibt es hier nicht.
In dem Hotel, auf dem wir gerade gegessen haben, hat der Schriftsteller Ernest Hemingway ab 1932 gelebt. Seinen Mojito hat er in der Bodeguita del Medio (sinngemäß das Oxymoron: „Eckladen in der Straßenmitte“) getrunken, die unweit der Kathedrale liegt. Letztere wurde hier gebaut nachdem sie am alten Standort für den Generalkapitänspalast abgerissen wurde und man diesen Ort trockengelegt hatte. Der Mojito in der Bodeguita del Medio ist wohl wegen dieser Hemingway-Legende einer der teuersten der Stadt.
Wir fahren wieder durch den Tunnel nach La Cabaña, weil wir auf dem Weg zum Hemingway-Anwesen sind. Das hat er sich gekauft, weil seine Frau – eine von vieren – keine Lust mehr aufs Hotel hatte.
Die Strände auf Kuba sind an vielen Orten nicht so paradiesisch wie in den Reiseführern. Oft felsig und dann sind da noch diese Seeigel...
Ich will jetzt auch gar nicht so viel über Hemingway erzählen. Nur ein paar Bilder von seinem Anwesen:
An sich war Hemingway aber ein Tierliebhaber. Auf seinem Anwesen lebten 70 Katzen. Diese haben vor allem auf dem Turm gelebt, den seine Frau errichten und als Arbeitszimmer einrichten ließ.
Hunde hatte er auch. Sie sind vor dem Ort, an dem heute sein Boot, die Pilar Key West, ausgestellt wird (das Anwesen liegt sehr hoch und das Boot ist deshalb nicht in der Nähe von Wasser), begraben:
Auf dem Anwesen wird ein Cocktail verkauft, der vor den Augen des Käufers frisch aus Zuckerrohr, Limetten und Ananas hergestellt wird. Subway zum Trinken quasi.
Dann geht es zurück zum Hotel. Wir kommen an der Bar Floridita („Blümchen“, der Empfang von – auch kleinen – Satelliten ist übrigens in Kuba für touristischen Hotels erlaubt) vorbei, wo Hemingway seinen Daiquiri getrunken haben soll. Er war übrigens ziemlich oft besoffen und bei diversen Schlägereien immer gern dabei. Ebenfalls sehen wir das Bacardi-Haus (wer einen auf Hipster machen will, betont richtigerweise die letzte Silbe). Das Unternehmen produziert seit der Revolution 1959 in Puerto Rico und darf deshalb auch in den USA verkauft werden. Die französische Marke Havana Club, die auch hier sehr verbreitet ist, verkauft nur in Europa und schert sich deshalb nicht um das US-Embargo.
Nachdem wir wieder im Hotel sind, gehen wir Geld holen. Die Wechselstuben sind auch hier völlig überfüllt. Die Geldautomaten nicht. Dieser sagt sogar, warum er mir kein Geld geben möchte. Ein anderer Automat daneben funktioniert. Ich habe den Maximalbetrag von 150 Dollar abgehoben, damit sollte ich erstmal hinkommen.
Nicht nur bei Wechselstuben, auch beim Verkauf von Internetzugangskarten muss man lange warten. Internet für eine Stunde kostet 2 Dollar, die Jungs auf dem Schwarzmarkt nehmen 3. Während Annemarie einen Verkäufer sucht, decke ich mich im Laden beim Hotel mit Getränken ein: Wasser, lokale Softdrings und deutschem Bier. „Was?“, werden alle fragen, die mich kennen. Ja gut, Malzbier. 80 Cent für 0,33 Liter importiertes Malzbier ist ein akzeptabler Preis finde ich. Die Preise im Laden sind komisch. Die Reiseleiterin hatte die 1,5-Liter-Flaschen Wasser für 70 Cent angekündigt. Ein Verkäufer meinte 1,50 Dollar, mir berechnet wurden laut Kassierer 1,70. Zum Vergleich: Eine Flasche Mate-Softdrink gleicher Größe(!) kostet 1,50. Lokale Softdrinks in der 355-ml-Dose kosten 50 Cent. Im Fahrstuhl treffe ich eine Mitreisende, die für zwei Flaschen Wasser fünf Dollar gezahlt hat. Später erzählt mir eine Schweizerin, sie habe für zwei Flaschen einen 3-Dollar-Schein auf den Tisch gelegt und was wieder bekommen. Und: Der Laden verwendet Scannerkassen... Und das, obwohl die Anzahl der verschiedenen im Selbstbedienungsbereich des Ladens erhältlichen Artikel im unteren zweistelligen Bereich ist.
Und ich hatte euch ja gesagt, merkt euch das Bild von Havanna von heute morgen. Denn als ich gerade zurück auf meinem Zimmer bin, sieht es draußen so aus:
Eine Stunde darauf – der Regen ist weniger geworden – ist das Begrüßungsabendessen im La Guarida im Armenviertel Centro Habana. Ein Aufzug steckt offen auf meiner Etage fest. Er hat vielleicht Tag der offenen Tür oder so. Egal, ab nach unten und mit dem Bus zum Restaurant. Der Hauptgang ist eine Enttäuschung, finde ich. Der Rest ist gut. Auch gut: die Toilette. Und mit der verabschiede ich mich für heute:
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