Kuba Tag 3: Havanna – Geschichtsstunde

Heute geht es auf die Spuren der Revolution und weiterer Themen aus der Geschichte des Landes

geschrieben von Janni Montag, 25. Juli 2016 um 01:43 Uhr

Ich werde wieder zweimal geweckt... Der Himmel ist heute morgen stark bedeckt.

Zuerst fahren wir zum Revolutionsplatz. Der ist schon vorher unter der Batista-Diktatur entstanden. Wo heute der Platz ist, war früher ein Wohngebiet. Ein junger Jurist unterstützte die mittellosen Bewohner im juristischen Kampf. Sein Name? Fidel Castro.

Revolutionsplatz"
Revolutionsplatz
Links: „Hasta la victoria siempre“, „Immer bis zum Sieg“, steht unter dem Konterfei Che Guevaras, der eigentlich Argentinier war.
„Vas bien Fidel“, „(Du) machst es gut, Fidel“ steht unter Camilo Cienfuegos. Offiziell heißt es, Fidel Castro sei sich unsicher gewesen, ob auch die Stadtbevölkerung zu ihm hält und nicht nur die Menschen auf dem Land, und Cienfuegos das dann gesagt hat. Tatsächlich soll es aber so sein, dass Cienfuegos zu spät zu einer Rede Castros kam und Fidel ihn aus Trotz fragte, ob die Rede gut war. Dass die bekannten Kubaner damals einen Bart hatten, war übrigens nicht freiwillig so, sondern lag schlicht am Mangel an Rasierern. Man nennt sie deshalb „barbudos“, die Bärtigen. Cienfuegos, der mit Castros kommunistischen Plänen nicht zufrieden gewesen sein soll, verschwand 1959 im Jahr der Revolution (angeblich bei einem Flugzeugabsturz, aber es wurde nie ein Flugzeug gefunden), ebenso wie die Leute, die sein Verschwinden aufklären wollten. Da wirkt es wie Heuchelei, dass Fidel Castro erließ, dass Schulkinder bis heute an Cienfuegos’ Todestag, dem 28. Oktober, eine „Blume für Camilo“ ins Meer werfen. Annemarie rät uns, die Wikipedia-Seiten dazu auf verschiedenen Sprachen zu vergleichen.

Vor dem Platz steht ein Obelisk zu Ehren von José Martí, der davor steht. Unten ist ein Museum über ihn drin. Siehe dazu den Post von gestern.

Obelisk
Obelisk mit José-Martí-Statue und -Museum

Wir fahren zum Christoph-Kolumbus-Friedhof. Der hat 35.000 Grabstätten. Die Straßen dürfen mit dem Auto, die Hauptachsen sogar mit dem Bus befahren werden. In der Mitte befindet sich die einzige achteckige Kirche Kubas. Der Friedhof wurde 1871 in einem menschenleeren Gebiet angelegt und ist inzwischen ringsum besiedelt. Gräber an den Hauptachsen sind teurer als irgendwo mittendrin. Der Friedhof ist für alle Religionen zugänglich. Das kommt wohl daher, dass Fidel Castro, aufgewachsen in einer Jesuitenfamilie, den Atheismus eingeführt hat.

Über diejenigen, die ihre Gräber verfallen lassen, sagen die Kubaner, die Leute hätten „die Coca-Cola des Vergessens getrunken“. Es gibt aber auch schützenswerte Gräber, die die Stadt instand hält. Und welche die von der Stadt gebaut wurden:

28 Feuerwehrleute (Bomberos) starben beim Einsturz eines brennenden Eisenwarenlagers, das sie zu löschen versuchten. Das ganze Monument (und auch sonst die Gräber hier) sind aus Marmor. Den gibt es hier nicht und er muss (meist aus Italien) importiert werden.

Noch ein paar besondere Gräber, die uns vorgestellt werden:

Grab von Ibrahim Ferrer
Hier ruht Ibrahim Ferrer aus dem Buenavista Social Club. Viele Gräber haben übrigens nicht nur eine Öffnung wie dieses, sondern eine weitere, kleinere Öffnung am Kopfende. Aufgrund des Klimas sind die Überreste nach 2 bis 3 Jahren verwest. Die Knochen werden dann in die kleinere Öffnung gelegt, damit wieder Platz im Grab ist.
Mausoleum von M. Martinez und Freundin
Dieses Grab erinnert an zwei, die zwar verheiratet waren, aber sich nicht verliebt haben. Und das, obwohl sie mit dem einzigen Sohn des Vizepräsidenten zusammen war. Er hatte aber wohl auch Geld und ließ, nachdem seine Neue ziemlich bald starb, die schwarzen Türen des Mausoleums von dem Pariser Designer gestalteten, der auch für die Kühlerfiguren der ganzen Nobel-Automarken verantwortlich ist.

Auch Fernando Ortiz ist hier begraben. Er ist bekannt als der „dritte Entdecker Kubas“ nach Kolumbus und Humboldt. Humboldt beschrieb die Natur Kubas, Ortiz die kulturelle Mischung aus Kolonialisten und afrikanischen Sklaven.

Grab von Amelia
Amelia ist ein moderne Schutzheilige. Sie starb zusammen mit ihrem ersten Kind bei dessen Geburt. Ihr Ehemann besuchte sie regelmäßig und verließ das Grab, ohne ihr dabei seinen Rücken zuzuwenden. So verlassen auch heute noch die Besucher das Grab. Das zu Amelias Füßen begrabene Kind lag der Legende nach bei Öffnung des Grabes nach 2 Jahren in ihrem Arm und sie war nicht verwest.
Täfelchen für Amelia
Viele Besucher haben Täfelchen mitgebracht. Inzwischen ist das verboten. Es wurden wohl einfach zu viele. Die bestehenden Täfelchen werden in der Nähe des Grabes ausgestellt.

Das war’s mit dem Friedhof. Jaime versucht, in den Bereich zu kommen, in dem wir auch gestern bei der Christusstatue waren. Dort soll es eine Zigarrenfabrik geben. Jaime möchte da kostenlos rein, aber der Pförtner sagt nein. Dann fahren wir einfach zu einer anderen Manufaktur. Und da haben wir sogar eine Foto- und Drehgenehmigung, anders als bei der offiziellen Zigarrenfabrik, die hier wäre.

Wir können aber noch nicht rein, also laufe ich durch die Stadt und kaufe mir ein Eis. Wir mir kurz darauf auffällt, wurde ich über den Tisch gezogen und habe statt 9 Dollar Rückgeld in Wirklichkeit 7 Dollar und 6 Pesos bekommen. Immerhin ist auf den beiden 3-Peso-Stücken das Gesicht von Che Guevara drauf.

Im Innenhof der Zigarrenfabrik gibt es einige Tische, Stühle, Pfauen und Hühner. Die Kombination sieht so aus:

Pfau auf Bank
Der Pfau sitzt jetzt hier.

Da das Videomaterial hier etwa 15 Minuten geht, verzichte ich darauf (wird vielleicht mal nachgereicht) und zeige ein paar Bilder.

Arbeitsplatz eines Zigarrendrehers
Zigarrenherstellung. Zigarren bestehen aus insgesamt 5 verschiedenen Tabakblättern von 2 verschiedenen Pflanzen. Zumindest die guten für den Export. Davon stellt Kuba 100 Millionen pro Jahr her. 200 Millionen verbrauchen sie selbst, die sind qualitativ nicht so hochwertig. Die Arbeiter können ihr Pensum vom 37 bis 140 Zigarren pro Tag (je nach Komplexität der Herstellung) gut erreichen. Für Mehrarbeit werden sie bezahlt. Sie dürfen dabei so viel rauchen, wie sie wollen und pro Tag 5 Zigarren nach Hause mitnehmen. Das macht den Job sehr beliebt. Viele Leute auf der Straße wollen Zigarren verkaufen und behaupten, der Cousin arbeite in einer Zigarrenfabrik. Aber wer weiß, ob er nicht stattdessen auf einer Bananenplantage arbeitet und die Blätter daher kommen?
Ein Mann zündet sich eine Zigarre an.
Auch das Anzünden einer Zigarre will gelernt sein. Nur mit drehen, ohne Pusten.

Es geht weiter zum Revolutionsmuseum. Hier war einst der Palast von Batista. Das Attentat, weshalb seine Frau die Christus (siehe gestern) hat bauen lassen, fand hier statt. Studenten stürmten am 13. März 1957 den Palast. Die Einschusslöcher hat man an den Wänden gelassen.

Zum Hintergrund: Batista war zweimal demokratisch an die Macht gekommen, sah aber 1952 kommen, dass Fidel Castros orthodoxe Partei gewinnen würde. Also hat er die Wahlen einfach abgesagt.

Am 26. Juli 1953 planten Fidel Castro, Raul Castro und Camilo Cienfuegos einen Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba. Die Stadt ist eigentlich gar nicht so groß, aber es kamen nicht alle der 130 Leute bei der Kaserne an, weil sie sich verfahren hatten. Hätten sie vorher bei Google Maps nachgesehen, wäre das nicht passiert. Auf jeden Fall ist die Aktion nach hinten losgegangen, weil eine Wache am Tor im Sterben noch den Alarm auslösen konnte und der Überraschungseffekt dahin war. Die Angreifer, die nicht schon beim Angriff starben, wurden zum Abschuss freigegeben. Der Polizist, der Fidel Castro fand, hatte zufällig mit ihm studiert und töte ihn nicht. Fidel Castro hatte in seinem Leben einfach verdammt oft verdammt viel Glück. Stattdessen kam er vor Gericht, ebenso wie Raul. Weitere Anhänger erhielten 10 Jahre, Raul 12 und Fidel 15. Weil Batista international besser dastehen wollte, ließ er sie aber nach 19 Monaten frei, unter der Auflage, dass sie das Land verlassen sollten. Sie gingen nach Mexiko. Dort trafen sie den Argentinier Ernesto Guevara, auch Che genannt. Sie kauften ein Schiff namens Grandma von US-Amerikanern, das sie in Granma umbenannten. Es war für 12 Personen gedacht, aber es fuhren 80 Leute mit. Libyer staunen. Das Schiff ging auch nicht unter, war allerdings 3 oder 4 Tage länger als geplant unterwegs. Der zur Ablenkung angezettelte Aufstand war da schon längst niedergeschlagen. Und auf den letzten Metern zur Küste im Südosten der Insel war auch noch der Treibstoff ausgegangen. Auf dem Weg zur Küste und in den Mangrovenwäldern starben viele Leute. Fidel meint, man sei noch zu zwölft gewesen, aber es waren wohl mehr, die sich im Gebirge Sierra Maestra verschanzten, während Batista dachte, alle seien tot.

Ein Journalist der New York Times verkleidete sich als Zuckerbaron und fand sie. Sie gaben ihm ein Interview und kämpften sich in Richtung Hauptstadt vor. Sie siegten in Santa Clara, weil Batistas Truppen nicht schnell genug benötigten Nachschub bekamen. Batista floh daraufhin beim Jahreswechsel 1958/59. Aber wohin? Trujillo (siehe auch hier) will ihn eigentlich nicht sehen, da Batista die Waffenlieferungen aus der Domrep nicht bezahlt hat. Er lässt ihn aber dann doch kurz auf der Insel unterkommen, bevor Batista zuerst auf Madeira (Portugal) und dann im faschistischen Franco-Spanien unterkommt.

Gemälde anlässlich der Revolution am 1. Januar 1959
„Batista flieht“
Fidel und Che im Gebüsch
Da ist was im Gebüsch.

Draußen stehen verschiedene Gefährte, die bei der Revolution verwendet wurden. Auch die Granma steht hier in einem Glasgebäude, in das man wegen Restaurationsarbeiten nicht wirklich reingucken kann.

LKW voller Schusslöcher
Dieser Laster ließe sich auf eBay sicher als „wie neu“ verkaufen

Wir laufen noch kurz zu unserer Oldtimer-Fahrt. Sie startet in der Nähe des Capitols. Es ist eine Nachbildung des Kapitols von Washington. Die Kuppel ist eher französisch inspiriert und markiert den Nullpunkt von Havanna auf Kilometerangaben. In Köln wird diese Rolle übrigens vom Dom eingenommen, habe ich letztes Wochenende gelernt, als beim Grillen bei Lynn der Überraschungsausflug in Form eines Bier-Stadtwanderung anstand.

Zurück zum Thema: Das Capitol wird derzeit von einer deutschen Firma restauriert. Sie hat ein Werbeplakat für sich aufgehängt. Es ist eines der sehr wenigen Nicht-Regierungs-Werbeplakate in Kuba und trägt zudem die .de-Domain des Unternehmens.

Neben dem Capitol ist das Theater Alicia Alonso. Als einst der italinische Schauspieler Caruso so viel Geld für einen Auftritt wollte, dass eine Eintrittskarte mehrere Monatsgehälter kostete, warfen wütende Kubaner eine Bombenattrappe im Theater. Caruso floh auf die Straße. Die Polizisten hielten ihn aufgrund seiner Verkleidung für einen Irren, zumal gerade kein Karneval war. Mit seinem Italienisch kam Caruso auch nicht weit. Die Beamten nahmen ihn mit auf die Wache und konnten die Situation erst da klären.

Anschließend ist noch eine einstündige Fahrt mit Oldtimern angesagt, die uns zum Hotel zurückbringen.

Draußen ist es heiß und ich bin etwas erschöpft. Also ab in den Fahrstuhl und ins Hotel. Gestern hatte ich mich ja gefragt, ob Fahrstuhloperatorinnen Fans vom 1. FC Köln sind. Jetzt bin ich der Antwort etwas näher gekommen, denn die junge Frau singt leise das Titellied von Shades of Grey, also doch eher Fan von Ellie Goulding. Ich singe einfach mal mit. Sie lacht ein bisschen.


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