Tunesien Tag 7: Sousse, Kalaâ, Sfax, El Djem, Bir Bou Regba, Kalaâ, Sousse – Ich mag Züge
en retard
Ich mag Züge.
Im Reiseführer habe ich auf der Karte einen Ort namens Melitta gesehen. Wenn man aus Minden kommt, dessen bekanntestes Produkt Melitta ist, muss man da hin. Der Ort liegt auf den Kerkennah-Inseln auf der ebenfalls Melitta genannten West-Insel (daher auch Gharbi genannt).
Der Name ist auf der Karte wohl ein Schreibfehler (vielleicht aus Mangel an Koffein?), denn sonst wird der Ort im Reiseführer und auf Google Maps Mellita genannt.
Da ich sowieso mal mit dem Zug fahren wollte in Tunesien, nehme ich mir vor, nach Sfax zu fahren und mit einer Fähre nach Melitta überzusetzen.
Gesagt, getan. Schnell frühstücken, dann mit dem Taxi zum Bahnhof Kalaâ Ségheli. Kurz vor dem Bahnhof stellt der Fahrer den Taxameter bei etwa 8 Dinar auf frei und will dann 15 Dinar von mir sehen. Ich habe keine Lust auf Diskussionen, aber Trinkgeld gibt es nicht. Die Fahrt ging recht schnell. Vermutlich berechnet auch Google Tunesien nicht den arabischen Fahrstil mit sein. Der trotz kürzlicher Preiserhöhungen recht günstige Sprit fördert ein – nennen wir es „sportliches“ Fahren.
Ich bin somit 20 Minuten vor der planmäßigen Abfahrt am Bahnhof und kaufe mir ein Ticket nach Sfax. 10,550 Dinar (gut 4 Euro) kosten am Schalter die etwa 130 Kilometer. Als Klasse wird der Buchstabe E angegeben, wie mir später erzählt wird, steht das für die erste Klasse. E=Erste Klasse, ergibt Sinn. Nur nicht in einem frankofonen Land.
Die Société Nationale des Chemnis de Fer Tunisiene betreibt auf der Grande Ligne drei Produktklassen: AUT, EXP und DC. Autorail (AUT) ist ein einigermaßen moderner zweiteiliger Treibzug, eingesetzt in Doppeltraktion. DC (Direct Climatisé) und EXP (Express) unterscheiden sich von Fahrzeugen her nicht. Die Fahrzeiten sind bei allen drei Arten vergleichbar. Die DC-Züge halten allerdings tendenziell öfter, wobei das das reinste Chaos ist. Einen Taktfahrplan gibt es in Tunesien nicht. Den Fahrplan findet man hier (also Ligne 5). Wie man sieht, kommt man ab dem späten Nachmittag nicht mehr von Süden nach Norden, weshalb ich nur die Fähre um 10:30 nehmen kann.
Insgesamt gibt es drei Klassen, die allerdings nicht bei allen Verbindungen existieren. Beispiel der im Vergleich zum Schalter etwas günstigeren Online-Preise für die Strecke von Kalaâ Séghira nach Sfax:
- Comfort-Klasse (C und E): 10,400 TND
- 1. Klasse: 9,800 TND
- 2. Klasse: 7,300 TND
Als als die Ankunft des Zuges seit 10 Minuten überfällig ist, trudeln so langsam Tunesier ein. Ich merke schon: Pünktlichkeit ist bei der tunesischen Eisenbahn nicht so eine Sache.
Der Zug kommt dann doch irgendwann und fährt mit 27 Minuten Verspätung ab (auf dem Gegengleis keine Spur von einem Zug, obwohl da so einige Tunesier inzwischen stehen). Den einzigen Unterwegshalt El Djem verlassen wir mit 34 Minuten Verspätung und mit 37 Minuten Verspätung (10:33 statt 9:56) sind wir dann in Sfax.
Sfax
Ich gehe zur Fähre, vielleicht nehmen die von Sonotrak es mit den Zeiten auch nicht so genau. Doch, tun sie. Wohl deutlich überpünktlich ist die Fähre aus der Gegenrichtung gerade angekommen. Die Autos verlassen die Fähre, wodurch es auf der Straße vor dem Terminal zu einem Stau kommt, der typisch arabisch in einem Hupkonzert endet.
Also gehe ich ein bisschen durch die Neustadt auf der Suche nach dem Suk. Nach einigem planlosen Umherirren finde ich die Stadtmauer. Dort muss die Medina und der Suk drin sein.
Allerdings ist nicht nur der Suk da, sondern auch ein Flohmarkt oder so.
Anschließend gehe ich zum Bahnhof. Es ist 11:40. Der Zug aus Tozeur (Abfahrt dort um 6:30) sollte vor 30 Minuten dort abgefahren sein. Ich versuche vom Schalter zu erfahren, ob er verspätet ist. 12 Uhr wird mir gesagt, wobei ich mir nicht sicher bin, ob die mich verstanden haben, oder mir einfach die planmäßige Ankunft in meinem Ziel El Djem (11:58) gesagt haben. Egal, ich gehe bis dahin mir ein Eis kaufen. Ich finde einen Supermarkt der größten Kette Monoprix.
Der Monoprix ist zwar ziemlich groß (vor allem verglichen mit den allgegenwärtigen, Drugstore genannten Kiosken), es gibt dort aber kein abgepacktes Eis. Ich kaufe mir etwas zu trinken und gehe zum Bahnhof zurück. Dort kaufe ich mir eine Fahrkarte. Da auf meiner um 12 Uhr gekauften Karte eine Abfahrtszeit von 11:10 steht, bin ich mir sicher, dass die Leute mich eben doch verstanden haben. Dennoch heißt es warten.
Der Zug kommt um 12:37 mit 93 Minuten Verspätung an und verlässt den Bahnhof mit 96 Minuten Verspätung. In El Djem steige ich aus. Der Zug verlässt den Bahnhof mit 101 Minuten Verspätung.
El Djem
In El Djem gibt es ein großes Amphitheater, sonst aber eher wenig.
Ich esse und trinke noch was im Ort und komme pünktlich zu Abfahrt des nächsten Zuges um 14:22 wieder im Bahnhof an. Der Zug ist nicht da und der Fahrkartenschalter ist geschlossen (Fahrtkarten werden am Schalter oder online gekauft). Aber ich entdecke etwas, das es weder in Kalaâ noch in Sfax gab: ein Fahrgastinformationssystem, allerdings nur auf Arabisch. Der Zug wird für 15:32 angekündigt. Nachdem ich diverse Supermärkte unter die Lupe genommen habe, bin ich eine Stunde später wieder im Bahnhof. Nun sollen es 85 Minuten sein, die etwas später auf 83 Minuten heruntergesetzt werden. Mein Ziel ist Bir Bou Regba, wofür ich einmal durch meinen Startpunkt muss. Wenn ich eh stehen muss, kann ich mir ja auch ein Ticket der zweiten Klassae kaufen, denke ich mir, und bezahle 8,400 Dinar (ca. 3,50 Euro) für die etwa 150 Kilometer. Tatsächlich verlässt der Zug – als einziger heute mit 5 statt 4 Wagen – den Bahnhof mit 86 Minuten Verspätung.
Endlich weiß ich auch, was der Unterschied zwischen EXP (Express) und DC (Direct Climatisé) ist: Beim DC sind die Türen kaputt und schließen nicht mehr. Durch den Fahrtwind sind die Wagen direkt klimatisiert.
Ich komme mit einigen Tunesiern ins Gespräch. Meinen Startpunkt verlassen wir nach einem 4-minütigen Halt mit 96 Minuten Verspätung. Der Zug kann tatsächlich etwas Verspätung abbauen, sodass wir mit 94 Minuten Verspätung in Bir Bou Regba sind.
Der Zug zurück laut dem dort ebenfalls vorhandenen (und nur französischen) Fahrgastinformationssystem pünktlich sein soll, kann ich den Ort nur kurz unter die Lupe nehmen.
Als der Zug eine Viertelstunde überfällig ist, wird eine Verspätung von 20 Minuten angezeigt. Tatsächlich verlässt der Zug den Bahnhof 25 Minuten zu spät, die wir durch eine spontale Vollbremsung auf 30 erhöhen.
So erreichen wir dann Kalaâ.
Ich suche mir ein Taxi und komme rechtzeitig zum Abendbrot. Damit habe ich zwar nicht viel gesehen, aber immerhin das tunesische Bahnsystem erlebt.
Ich mag jetzt keine Züge mehr.
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