Neuseeland Abend 7: Matamata, Te Whaiti – Der vergessliche Häuptling (Teil 3)
Mit der ganzen Kraft der Zugspitze und des Rheins spekuliere ich ohne jegliche Grundlage über mögliche Motive neuseeländischer Märchen.
Wir fahren durch Tirau. Beliebtestes Baumaterial der Bewohner ist Wellblech. Das Verkehramt hat den Vogel dann entgültig abgeschossen und residiert in drei Wellblechhallen, von denen einer ein Hund und zwei ein Schaf sind.
Die Strecke von Matamata nach Rotorua ist bekannt dafür, bemerkenswert schlechtes Handynetz zu haben. Über zig Kilometer. Das ist scheiße, wenn man einen Song üben und ihn dafür nochmal im Original hören möchte. In der engeren Auswahl sind Auf uns und Ein Kompliment. Auf uns setzt sich durch, zudem mein Vorschlag, nur die erste Strophe und zweimal beide Refrains zu singen, weil insbesondere die Bridge viel zu komplex ist. Im hinteren Teil des Busses – ich sitze ganz vorne – beginnt eine Meuterei mit Cowboy und Indianer und dem Fliegerlied, die aber niedergeschlagen wird.
Wir besuchen ein Marae (James Cooks Aussprache Marai scheint auch üblich zu sein) der Ngati Manawa, . Uns begleiten zusätzlich Benoir und Kemara als Übersetzer, obwohl die Gastgeber gut Englisch sprechen.
Ein Marae wird von den Maori für gemeinschaftliche Aktivitäten verwendet, in unserem Fall zum Empfangen von Gästen.
Ein Marae besteht aus mindestens einem Essenshaus (Wharekai) und einem Großen Haus (Wharenui) für alles andere. Wie schon an Tag 4 erwähnt, wird WH wie F gesprochen.
Maori und die neuseeländische Zeichensprache sind die beiden Amtssprachen Neuseelands, gut 1 Prozent der Bevölkerung kann sich somit mit einer der Amtsprachen verständigen. Das ist noch deutlich weniger als der Prozentsatz der Luxemburger, die ihre eigenen Gesetze lesen können.
Das Wharenui ist überwiegend weiß, einige Gebäudeteile sind aber rot angemalt, die die Körperteile einen Ahnen markieren. Dass er auf dem folgenden Bild nur vier im übrigen weiße Finger hat, liegt daran, dass die vier Finger für die Geburt, das Leben, den Tod und (was nicht immer vorkommt) das Leben nach dem Tod stehen.
Im Wharenui werden sogar auch Tote aufgebahrt, die übrigens durchs Fenster reingetragen werden und nach dem Tod nach Hawaiki zurückkehren. Hawaiki bezeichnet die mythische Herkunft der Polynesier, wobei in einigen der Kulturen tatsächliche Orte so oder so ähnlich genannt wurden, zum Beispiel die Inseln Savaiʻi (Samoa) und Hawaiʻi (USA).
Im Wharenui sind Fotos von Ahnen aufgehängt, die teils noch sehr jung zu sein scheinen (auch nach Einordnung der massenhaften Verbreitung von Farbfotografie). Aus dem Grund dürfen keine Fotos von innen gemacht werden, Fotos von außen sind OK, ich habe auch drauf geachtet, dass nur die holländischen Holzschuhe und keine Ahnen auf dem Bild sind. Das Betreten mit Schuhen ist ebenfalls verboten. In dem Wharenui schlafen wir auf 22 Matratzen, 6 weitere sind in einem älteren Gebäude, damit unsere 24er-Gruppe Platz findet.
Jetzt aber erstmal zur Empfangszeremonie, von der ebenfalls keine Fotos gemacht werden dürfen. Wir sitzen in auf den Stühlen und Bänken rechts auf der Wiese, die Gastgeber in der hintersten kleinen Hütte auf der linken Seite. Sie läuft so ab:
- Der Häuptling der Gastgeber hält eine Ansprache. Benoir übersetzt das für mich, ich schaffe es aber nicht, es so wirklich zu behalten.
- Die Gastgeber singen.
- Kemara spricht.
- Kemara singt.
- Ich spreche. Dass ich dabei die Hand aufs Herz legen soll, habe ich vergessen.
- Ich lege einen Briefumschlag mit Geld in der Nähe und gehe langsam rückwärts.
- Wir singen Auf uns
Anschließend trinken wir ein Heißgetränk und machen unsere Betten. Dann gibt es Abendessen. Bevor wir ans Büffet gehen, spricht Benoir ein Tischgebet. Polynesier sind übrigens größtenteils Christen, haben aber oft noch zusätzlich ihre ursprünglichen Naturreligionen.
Zum Abendessen im Essenshaus (das große Gebäude ganz rechts) gibt es:
- Kartoffeln (normale, unsere in Deutschland schmecken aber viel besser)
- Squash
- Füllung auf Paniermehlbasis, die normalerweise in gestopftes Geflügel gegeben wird
- Hähnchenteile
- Schweinefleisch
- Gemischter Salat mit Relish
- Coleslaw
- Obstsalat auf Jogurt auf Bisquit mit Sahne (der wässrige Bisquit lässt das Gericht ein bisschen wie Tiramisu wirken)
Anschließend werden Männer und Frauen geteilt. Die Frauen schneiden Flachs (kein echtes Flachs sondern eine hier so bezeichnete Pflanze) und basteln daraus Flachsrosen. Sollten sie, kriegen sie aber nicht hin.
Ich kriege die Aufgabe von uns Männern auch nicht hin. Der Rest aber schafft es, einen Haka aufzuführen und die Energie der Zugspitze und den Rheins zu kanalisieren. Eigentlich sollte das Ritual nicht nur an die Berge und Flüsse in Deutschland und Österreich sondern auch an die Bezeichnung des Gebiets angepasst werden, mangels besserer Begriff als Heiliges Römisches Reich und Großdeutschland field das jedoch flach.
Ich finde traditionelle Tanzperformances aber ohnehin immer sehr affig. In diesem Fall lässt sich selbst für ungeübte Zuschauer eindeutig erkennen, dass es sich hierbei lediglich um die neuseeländische Interpretation des Rumpelstilzchen-Tanzes aus dem Märchen handelt und keinen traditionell neuseeländischen Tanz. Die neuseeländische Rugby-Mannschaft, die All Blacks, führen den Tanz vor Länderspielen auf. Das soll die Gegner einschüchtern, ich halte aber für realistischer, dass die Stärke der Gegner abnimmt, weil sie sich im wahrsten Sinne des Wortes tot lachen. Die Deutschen – spielt bei uns eigentlich irgendwer Rugby? – könnten auch keinen Tanz entgegensetzen, schließlich weiß inzwischen jeder, wie Rumpelstilzchen heißt. Wenn ich mir die zu dem Zeitpunkt schon vorbereiteten Gedecke fürs Frühstück ansehe, trifft das neuseeländische Schneewittchen übrigens auf 34 Zwerge.
Die Männer singen ein Lied, die ersten paar Zeilen sind auch den Frauen bekannt. Bei Musik bin ich wieder ganz mit dabei und habe immer noch einen Ohrwurm davon. Wenn ich es schaffe, stelle ich es hier nach der Reise mit Akkorden und einer Aufnahme von uns ein. Keine Garantie, ich weiß genau, das für ein fauler Sack in Sachen Bloggen ich zu Hause bin.
Nachdem die beiden Gruppen ihre (Un-)Fähigkeiten einander präsentiert haben, geht es ins Bettchen. Gut der Hälfte der Gruppe ist es zu heiß und sie pennen draußen auf der Wiese.
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