Kriti (Kreta) II Tag 1 und 2: Die letzte Hoffnung
Auch Kreta ist nur zweimal im Jahr.
Nachdem Spanien in Sachen COVID-19 überhaupt kein Land mehr sieht, Frankreich größtenteils in Neuinfektionen versinkt und in Portugal zumindest die Hauptstadtregion ein Risikogebiet ist, sind Italien und Griechenland die letzten Hoffnungen für Reisebranche und Reisewillige. Kürzlich hat die Touristik Union International (kennt glaube ich keiner unter dem ausgeschriebenen Namen) zwar angekündigt, dass man auf ausdrücklichen Wunsch auch in Risikogebiete reisen kann, aber für die Masse ist das natürlich nichts.
Ich habe mich daher spontan entschieden, ein zweites Mal nach Iraklio zu fliegen. Eigentlich ist alles wie beim letzten Mal. Sogar die gleiche Flugnummer. Nur die Schlange an der Sicherheitskontrolle am Flughafen Langenhagen ist länger.
Alles ist so ähnlich, dass ich aus Verwirrung schon mein Ticket vom letzten Mal über den Scanner halte. Die piept sehr laut und schickt mich zum Check-In-Schalter. An der dortigen Schlange angekommen, fällt mir auf, dass die Uhrzeit auf meinem Ticket nicht stimmt – kein Wunder, es ist ja auch das falsche. Also wieder hinten anstellen... Der Scanner hätte ja ruhig schreiben können: „Das Ticket ist seit 2,5 Monaten abgelaufen du Vollidiot!“
Der Flug ist wieder nahezu ausgebucht, diesmal ist es aber nur ein kleinerer Airbus A320-212 (Kennzeichen: D-AICI). Einen Bordfilm gibt es nicht, allerdings etwas mehr Auswahl beim Essen und einen Bordverkauf (wobei man die Artikelliste nur auf Wunsch erhält). Der Sitzabstand scheint etwas größer als beim letzten Mal.
Ausstieg ist immer noch nach Sitzreihen, geht aber sehr schnell. Der vorab von griechischen Staat zu beantragende QR-Code wird immer noch nicht gescannt. Vor den Schaltern der Autovermietungen im Terminal haben sich bereits schlangen gebildet. Alleine zum Hotel ist wohl sicherer. Mache ich auch so. Mich begrüßt eine Mitarbeiterin von eurocreta am Ausgang. Ich habe mich für diese Firma entschieden, da sie eine Einwegmiete vom Flughafen zum Hafen anbietet. Anders als sonst ist überhaupt keine Kreditkarte nötig. Ich zahle einfach in bar.
Nicht nur weil wir 15 Minuten zu spät losgeflogen sind, bin ich nach Ende der Abendessenszeit (diese geht bis 21 Uhr) beim Hotel in Sissi. Kein Problem: Ich bekomme einen Teller mit Salaten, kalten Fisch, zwei abgepackte Brötchen und Auflage – und das, obwohl ich meine Verspätung nicht mal angemeldet habe.
Am Morgen erlebe ich dann, wie sich Hotelverpflegung durch Corona verändert hat. Abgepackte Dinge kann man sich nehmen (z.B. Brötchen, Butter), alles andere muss man bestellen. Der Personalaufwand und Verbrauch an Tellern steigt dadurch.
Es sind gefühlt nur deutschsprachige Gäste hier. Mein Gefühl trügt mich nicht, erzählt mir bei der Abholung zur heutigen Tagestour kurz darauf der Guide Thomas, als wir durch das nächstgrößere Städtchen Malia fahren: Die Briten, die in Malia normalerweise zu tausenden sind, müssen nach Rückkehr in die Quarantäne. Franzosen und Spanier haben genug Probleme im eigenen Land. Da bleiben eigentlich nur noch die Deutschen. Und selbst obwohl es im vollen Flieger so scheint, als sei alles wie immer, ist selbst das nicht so, geschweige denn können die Deutschen die fehlenden anderen Nationalitäten finanziell wettmachen.
Wir holen noch zwei Pärchen aus den beiden Cactus-Hotels im nahen Stalida ab, schon geht die Tour los. Sprache ist Deutsch. Der Guide Thomas war 1989 mal hier und ist 1990 ausgewandert. Aus Mangel an Arbeit in der Wintersaison (was dieses Jahr besonders schwer werden wird) musste er zunächst noch im Winter zurück nach Deutschland reisen. Beschweren will er sich nichr, sagt er, denn dabei hat er 1999 seine Freundin Anna kennengelernt. Die hat er in der Folge 3 Jahre „bearbeitet“, wie er sagt, bis sie ihm zurück nach Kreta gefolgt ist – unter der Bedingung, dass sie heiraten (in Deutschland). Seine Frau arbeitet wie er beim Safari Club Kreta. Sie hat mir Mittwoch die Nachricht mit der genauen Startzeit geschrieben.
Erster Stopp ist eine Olivenölfabrik, was nicht unbedingt zum Programm gehört.
Wir bekommen von Thomas eine Erklärung, wie Olivenöl hergestellt wird:
- Die Ernte der Oliven erfolgt mit einer Art Kantenschneider, wobei die verwendeten Geräte mehrere Bänder und diese zudem an der Seite haben. Die Früchte und auch Zweige fallen dann in ein um den Baum ausgelegtes Netz. Die Ernte ist Mitte November bis Ende Februar. Man kann relativ gut zeitlich variieren, aber wenn man zu lange wartet, trocknet die Südseite aus. Man erntet normalerweise, wenn etwa die Hälfte der Oliven grün ist (und die andere Hälfte rosa – schwarze Oliven gibt es nicht, die sind gefärbt).
- Zweige und Blätter werden ausgeblasen. Diese holen lokale Schäfer oder Ziegenhirten ab.
- 1 Stunde lang häckseln.
- Zentrifugieren. Was hier an festem Zeug übrig bleibt, wird getrocknet und zum Heizen verwendet.
- Trennen von Wasser und Öl. Bestimmung des Säuregehalts. Kreter brauchen 30 Liter Olivenöl pro Kopf und Jahr, sie benutzen das aber sehr vielseitig. Eine solch moderne Firma behält von Privatleuten 15% des Öls als Lohn. Weniger moderne Fabriken behalten 10%, da ihre Zentrifuge nicht so gut ist – so erhält ein Privatmann in etwa gleich viel Öl für sich (vielleicht sogar etwas mehr bei der weniger modernen Fabrik).
Wir bekommen eine Kostprobe: Bröt mit viel Olivenöl, Oregano und Meersalz. Es schmeckt wirklich gut, aber ich darf kein Olivenöl kaufen, da ich nur mit Handgepäck unterwegs bin, wo man nur 100ml-Fläschchen mitnehmen darf.
Wir fahren nach Krasi. Dort wohnte Nikos Kazantzakis, Namensgeber des Flughafens in Iraklio. Von ihm stammt der Roman Alexis Sorbas, der von Michael Cacoyannis 1964 verfilmt wurde. Anthony Quinn in der Hauptrolle war angeblich zu unbegabt oder zu betrunken, um den am Ende vorgesehenen Syrtos zu tanzen, also wurden aus den 13 Schritten die 6 einfachsten genommen daraus nur für den Film ein neuer Tanz namens Sirtaki (kleiner Syrtos) erfunden. Traditionell griechisch ist dieser Tanz somit nicht, wird aber oft dafür gehalten.
Bekannt ist Krasi aber für die 1.800 bis 2.000 Jahre alte Platane.
Die Ahnen haben hier in Krasi zwar kein Sägewerk erbaut, dafür aber vor 3.000 Jahren eine Quelle direkt neben der Platane auf der Straßenseite gegenüber. 1890 wurden dort Waschbretter in den Stein geschlagen. Dies gab Männern, die unter dem Baum saßen, die Möglichkeit, sich eine Frau auszusuchen, die gut waschen konnte.
Wir besuchen Kastamonitsa. Dort gibt es auch wieder Brot mit Olivenöl, Oregano und Meersalz sowie Brot mit Thymianhonig, Raki und Rakiliköre zum Kosten.
Als wir dann die befestigte Straße verlassen, macht Thomas Highway to Hell von AC/DC an. Für sanftere Gemüter folgt anschließend Dieser Weg. Das ist von Xavier Naidoo und so langsam ereilt mich die Überzeugung, dass diese Pandemie eine einzige Verschwörung ist. Ich habe das Verlangen, meine Maske abzusetzen und halte überhaupt Gesetze gegen Corona für unnötig, da ich noch nie Corona hatte. Nur folgerichtig halte ich kurz darauf auch Gesetze gegen Mord für unnötig, da ich noch nie ermordet wurde.
Wir fahren zu einem Hirten, der oben in den Bergen 500 der 4 Millionen Ziegen und 350 der 2,5 Millionen Schafe auf Kreta hat. Letztere sind ab Ende September im Tal, um Nachwuchs zu bekommen. Hirte Jannis kümmert sich darum, Manolis ist oben auf dem Berg bei den Ziegen.
Sie melken hier 400 Tiere von Hand. In einem alten Kessel wird die Milch (80% Schaf, 20% Ziege) pasteurisiert, dann zwei EL Lab zugegeben. Aus dem oben schwimmenden Teil wird Kopfkäse (40% Fett in Trockenmasse) gemacht, der nach 4 bis 6 Monaten ähnlich wie Parmesan schmeckt. Aus dem unteren Teil macht man Blumenkäse (20% Fett in Trockenmasse).
Wir fahren zur Dikti-Höhle, bekannt als Geburtsstätte Zeus’. Besser gesagt, wir fahren in die Nähe. Von dort müssen wir die letzten 600 Meter selbst laufen – klingt einfach, sind ber immerhin 180 Höhenmeter. „Grüßt mir Zeus!“, sagt Thomas, der unten bleibt. „Sozusagen ‚Grüß Gott!‘“, meine ich. Die Höhle kostet 6 Euro Eintritt.
Jetzt haben wir uns ein Mittagessen (im Preis von 89 Euro enthalten) aber auch wirklich verdient. Als Vorspeise gibt es gefüllte Weinblätter (hatte ich im Hotel gestern Abend – aber die hier schmecken sogar) mit Zaziki, gelbes Linsenpüree mit viel Olivenöl, griechischer Salat und Ofengemüse. Hauptgericht ist Schweinefleisch aus dem Holzkohlegrill mit Lasithi-Kartoffel. Wäre dunkle Soße dabei, würde das als original deutscher Schweinebraten durchgehen. Zum Nachtisch gibt es Apfelscheiben mit Zimt, sowie Trauben.
Aber auch sonst gibt es jede Menge zu Essen auf der Tour, denn viele Pflanzen auf Kreta sind Nutzpflanzen. Zum Probieren gab es unterwegs Weintrauben, Mandeln, Walnüsse sowie folgende Kräuter: Bergsalbei, Mönchspfeffer (der heißt so, weil er das Sexualverlangen senkt), weiß blühender Oregano, Wildes Berg-Bohnenkraut (Thryba) und Bergthymian.
Nach dem Mittag kommen noch einige Fotostopps, wo man vom Gebirge ins Tal blicken kann. Letzter Stopp ist oberhalb der Roza-Schlucht. Hier stehen kaputte Windmühlen, die die Deutsche zerstört haben, weil sie sie für Artillerie hielten. An dem Punkt, an dem wir stehen, lag im Januar 2015 2,5 Meter Schnee. Damit war man auf Kreta natürlich komplett überfordert. Normalerweise ist es dann aber noch warm genug, dass man zumindest im Tiefland Touristen empfangen könnte. Reiseveranstalter bewerben das aber nicht. Vielleicht wird die sonst nur 6 Monate gehende Saison dieses Jahr mangels Alternativzielen ja verlängert? Der Wirtschaft auf Kreta würde es sicher helfen.
Dann fahren wir zurück zu den Hotels. Wir kommen an einem Kloster vorbei. Thomas sagt, es sei ein Nonnenkloster. „Unsere Reiseleitung hat gesagt, es sei ein Mönchskloster“, sagt eine aus der Gruppe. „Ein Mönch und viele Nonnen“, meint Thomas. „Da muss der Mönch aber schon viel Mönchspfeffer nehmen“, meint jemand aus der Gruppe.
Ich fahre mit dem Auto zum Amazonas Park. Das ist ein kleiner Zoo. Man hat vor allem Äffchen und Papageien. Mir gefallen die Papageiengehege nicht, da die Käfige kaum ausgestaltet sind.
Um 17:30 ist Fütterung. Außer mir sind noch ca. 10 Griechen da. Man darf dann die Gehege der Makaken und der Kattas betreten, die man sonst noch nicht einmal von außen ansehen kann. Man kann Popcorn für die Makaken (2 Euro) oder Früchte für die Lemuren (3 Euro) kaufen, mache ich aber nicht.
Man darf die Tiere nicht anfassen, vor allem die Kattas springen aber auch von sich aus auf Besucher, auch solche ohne Futter.
Zurück nach Sissi zum Maritimo Beach Hotel. Ich parke direkt am Meer und mache noch ein Foto vom Sonnenuntergang.
Das Essen im Hotel ist wirklich gut und vielfältig. Nachdem ich bei meinem letzten Aufenthalt auf Kreta mit Ausnahme des Mittagessens auf der Bootstour die Kulinarik komplett ignoriert habe, habe ich das heute umfassend nachgeholt.
Aus irgendeinem Grund hat der Reiseveranstalter (Frosch Touristik) mich beim Hotel als zwei Personen angemeldet (weshalb ich dem Rezeptionisten mehrfach bestätigen musste, dass ich wirklich nur eine Person bin). Da ich für diese beiden imaginären Personen zusammen 45 Euro pro Nacht mit Halbpension bezahlt habe, stellt sich für mich als Mathematiker natürlich die Frage: Wie viele Tage in Folge muss ich in Deutschland vorhaben, zum Griechen essen zu gehen, bis ein Griechenlandurlaub günstiger wird? Okay, ich lass das mit der Mathematik – ich hab ja jetzt Urlaub.
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