Südafrika III Tag 22: Kapstadt, Bo-Kaap, Robben Island, Signal Hill, Kapstadt – Um die Nacht gebracht
Und wer ist dafür verantwortlich?
Dieser Blogpost behandelt den 10. Dezember 2022. Als einer dieser typischen Museums-Blogposts hatte ich total keine Lust, ihn zu erstellen, obwohl ich den Großteil des Texts bereits während des Besuchs auf meinem Handy mit-/vorgeschrieben habe... Die 6 hierauf folgenden Posts (davon werden allerdings vier einige Monate unsichtbar sein) waren bei Veröffentlichung dieses Blogs bereits fertig.
Kurz nach 6. Drüben im anderen Zimmer wird sich immer noch oder schon wieder lautstark angeschrien. Diesmal ist aber auch noch laut Musik an.
Ich überlege, was ich dagegen tun kann. Ich könnte meine nicht mehr benötigte Bankkarte (ich vermute, die ist eh gesperrt, weil ich vorgestern zweimal damit versucht habe zu bezahlen, und die PIN meiner Kreditkarte eingegeben habe, mit der ich eigentlich zahlen wollte) in das Slot des Kartenlesers stecken und dann abbrechen, dass man nicht mehr rein kommt. Nachteil: Auf der Kaerte steht mein Name. Ich könnte auch einfach früh ins Bett gehen, Ohrstöpsel rein und dann um 3 Uhr nachts spontan Ukulele üben. Ich hätte da auch eine Idee für ein Lied...
Ich beschwere mich bei der Rezeption. Dort meint man, die seien Teilnehmer einer Konferenz. Vielleicht sollte man denen sagen, dass es hier einen Konferenzsaal gibt und sie ihre Diskussion nicht auf dem Zimmer führen müssen. bekomme ein anderes Zimmer in Aussicht gestellt. Aussicht ist ein gutes Thema, dazu später mehr.
Ich nehme mir vor, heute nach Robben Island zu fahren, wo der Typ einige Jahre einsaß, der sich dafür verantwortlich zeichnet, dass heute auch Menschen mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen von Begriffen wie „Nachtruhe“ und „Diskussion“ Tür an Tür wohnen können.
Zum Glück muss ich nicht sofort umziehen und kann deshalb mit dem ersten Hop-On-Hop-Off-Bus zur Talstation der Tafelberg-Seilbahn fahren, die gleich öffnen soll. Abver sie bleibt aus Gründen der Witterung zu.
Um wieder in die Stadt zu kommen, fahre ich also mit dem Bus noch etwas weiter. Das Wetter an sich ist gar nicht schlecht.
Bo-Kaap
Daher mache ich, wie bereits angekündigt, noch einmal Bo-Kaap am Morgen. Um 10 startet ein kostenloser Rundgang („Walking Cape Town“, Spenden erbeten) an der Haupthaltestelle der Hop-On-Hop-Off-Busse. Obwohl Bo-Kaap zumindest tagsüber recht sicher sein soll, lautet auch hier die Devise „safety by numbers“ – Sicherheit durch die Gruppe.
Erster Halt ist die Auwal-Moschee („Erste Moschee“), gegründet vom tidorischen (Indonesien) Prinzen Abdullah Kadi Abdus Salaam, der 1780 von den Holländern nach Robben Island gebracht wurde, da er sich mit den Briten gegen die Holländer verschworen hatte. Da keine muslimischen Bücher importiert werden konnten, schrieb er auf Robben Island bis zu seiner Entlassung 1793 den Koran mehrfach aus dem Kopf ab. Die Koran-Kopien waren nahezu fehlerfrei. Erinnert mich ein bisschen an die Übersetzung der Siebzig (eigentlich waren es 72), bei der einer Legende nach 72 jüdische Gelehrte jeweils eine eigene griechische Übersetzung des Alten Testaments erstellt haben sollen und anschließend feststellten, dass diese alle identisch waren, da sie die Übersetzung von Gott erhalten haben.
Er arbeitete nach seiner Gefangenschaft als Koranlehrer, das ihm den Namen Tuan Guru („Herr Lehrer“) einbrachte. In dem Gebäude der Koranschule, das ihm von einem freigelassenen Sklaven zur Verfügung gestellt wurde, gründete er 1794 die erste Moschee Südafrikas, deren erster Imam er wurde.
Es geht weiter durch die Straßen.
Ganz links am Bildrand sind zwei von drei Hochhäusern zu sehen. Eigentlich darf am Tafelberg gar nicht so hoch gebaut werden, aber ein Investor fand eine Gesetzeslücke. Die Häuser gelten als Bausünde und werden allgemein gehasst – außer natürlich von denen, die da wohnen – und tragen daher die Namen Salz-, Pfeffer und Senfstreuer.
Kurz vor Ende der Tour haben wir uns an einer Straßenkreuzung Zeit, um uns etwas typisch Kapmalaisches zu Essen zu kaufen. Ich kaufe Bolas und Koesisters. Das sind Gebäcksorten und ich finde die recht gut.
Als die Tour gerade ihr Ende nimmt und wir dem Guide etwas Trinkgeld geben, kommt ein Mädchen und bettelt. Sie habe nichts zu essen. „Du weißt, dass das falsch ist“, sagt der Guide zu ihr.
Robben Island
Ein Uber bringt mich von dieser zu anderen Haupthaltestelle der Hop-On-Hop-Off-Busse. Ich frage bei der Hafenrundfahrt, ob ich es danach (ca. 12:30 Uhr) zum Robben-Island-Museum schaffe. Wohl nicht, meint die Frau. Sie wisse aber auch nicht, wo das denn sei. Okay...
Ich gehe dann lieber sofort mal dorthin. War wohl die richtige Entscheidung, denn auf dem Weg liegt eine Drehbrücke. Wann die sich öffnet, weiß man nicht, und daher fehlt dieser direkte Weg wohl auf Google Maps. Als ich ankomme, wird die Brücke gerade für den Schiffsverkehr geöffnet. Leute müssen davor warten (die einzige Brücke weltweit, die währenddessen betreten werden darf, steht in Hull City in England).
Im Museum angekommen muss ich erstmal durch die Sicherheitskontrolle, bevor ich zum Schalter gehen kann um meine Eintrittskarte zu kaufen – neben dem eine Tür nach draußen offen steht. Sehr sinnvoll diese Sicherheitskontrolle. Sehr sinnvoll ist auch, dass man eine E-Mail-Adresse braucht, um eine Karte zu kaufen. Und eine Telefonnummer. Und einen Ausweis. Für letzteres reicht – auch wenn er hier gar nicht gültig ist – der deutsche Führerschein, falls ihr euren Pass auch nicht mit euch herumschleppen wollt. Der Kartenverkauf dauert entsprechend lange – da Leute ihre E-Mail-Adresse diktieren müssen. Man brauche die, um bei Absage den Leuten die Rückzahlung zukommen zu lassen, erklärt man mir. Kann ja sein, dass die Tour in wenigen Minuten dann doch noch spontan abgesagt wird.
Gut, dass ich jetzt hier bin, denn Bording kann bereits eine halbe Stunde vorher sein. Da das Boarding offensichtlich noch nicht begonnen hat – es ist noch eine Viertelstunde hin –, gehe ich noch in die Ausstellung, da ich immer noch keine Ahnung habe, was dieses Robben-Island-Museum eigentlich für ein Museum ist. Die Ausstellung liefert eine Erklärung:
So langsam sammeln sich die Leute beim Boarding. Ich stelle mich dann auch mal an. Als eine dreiviertelstunde Später auch die offizielle Startzeit überschritten ist, kommt die Durchsage, dass sich das Boarding um eine halbe Stunde verschiebt. Unter den anderen Leuten macht sich lautstark Enttäuschung breit. Außer mir sind fast nur Schwarze dabei, der Anteil der Weißen unter den Besuchern von Robben Island beträgt geschätzt 5%.
Während man wartet, kann man sich die Zeitleiste ansehen, die sich an der Wand des Warteraums befindet. Danach wurde 1978 Tokyo Sexwale ... okay, ich kann nicht mehr. Lassen wir das. Der Rest des Warteraums ist auch nicht besser. Beispielsweise hängen da große Bildschirme, die zeigen, wie umweltfreundlich das Museum ist, da dessen Solaranlage bereits „Fatal error Uncaught GuzzleHttp\Exception\ConnectException: cURL error 7: Failed to connect to 192.168.7.99 port 8086: Connection refused (see http://curl.haxx.se/libcurl-errors.html) in kWh“ geliefert hat. Die Energie wird somit eingesetzt, um einen Fernseher zu betreiben, der lediglich drei Fehlermeldungen (jeweils für verschiedene Zeiträume) zeigt. Das nenne ich Umweltschutz!
Mit über einer Stunde Verspätung startet das Boarding. Das ist besonders ärgerlich, weil das Wetter schlechter wird. Das für den Aufenthalt vorgesagte Gewitter fällt aber aus. Dennoch wird die folgende, vierte und letzte Tour des Tages abgesagt. Ich sitze an Deck. Es ist beim Ablegen recht stürmisch, wird aber schon bald deutlich besser. Die Fahrt vom Museum zur Insel dauert gut eine halbe Stunde.
Dann geht es für die rund 300 Gäste von Bord und ab in Busse – normal breit aber mit 5 Sitzen pro Reihe. Soll wohl an den Komfort von damals erinnern. Jeder Bus bekommt eine Führung durch einen ehemaligen Gefangenen. Unser heißt Vusi Kube. 1980 hierher gebracht mit 18 Jahren, 1983 zu 18 Jahren Haft verurteilt für Terrorismus, Waffenbesitz und illegales Verlassen des Landes.
Die Gefangenen erzählen dann von ihren Erlebnissen. Auf Robben Island waren zwar nur Nicht-Weiße inhaftiert (mit Ausnahme eines Mannes, der einen Politiker umgebracht hatte und 6 Monate hier in Sektion C war, bis er in die Irrenanstalt gebracht wurde), die Wächter konnten aber trotzdem deren Sprache. Beim Sport am Freitag und Sonnabend durften zudem nicht mehr als zwei Leute nah beeinander sitzen. Keine Ahnung, warum er das erzählt. Ist das Besonders? War doch 2020 und 2021 in Deutschland auch so...
Unser Gefangener erzählt vom Leben in den Baracken. Mit den Ausweisen wurde vonseiten der Gefangenen oft auch den Wächtern auf der Nase rumgetanzt. Das haben sich die Betreiber des Gefängnisses aber meiner Meinung nach auch selbst zuzuschreiben, denn sie hätten die Daten ja auch einfach in der Cloud speichern können. Ich weiß allerdings gerade nicht, welche Daten gemäß DSGVO zu politischen Gefangenen gespeichert werden können.
Im Winter war es dort kalt und nass. Sie wollten sich darüber beschweren bei Regierung oder Anwalt, aber Briefe wurden abgefangen. Es kam zu einem Hungerstreik, der jedoch auch zu keinem Ergebnis führte.
Dann geht es wieder zurück zum Bus. Der Guide im Bus fragt, wie es war, schließlich war unsere Tour die kürzeste. Ein Afrikaner sagt, dass die Informationen „minimal“ waren. Ich finde, er hat recht. Ich habe auch meist nicht verstanden, worauf er hinaus wollte.
Denn geht es weiter über die Insel, auf der heute 211 Leute leben, weil sie hier arbeiten. Der einzige Wächter von damals, der heute hier arbeitet, ist vermutlich der von Mandela. Christo Brandt. Er macht private Touren und mit Schulen. Andere Wächter wurden für ein Interview befragt vor einem Jahr, aber das Interview ist noch nicht veröffentlicht.
Die Insel war übrigens nicht nur eine Gefangeneninsel sondern auch eine Lepra-Kolonie.
Ein besonderer Gefangener war Robert Mangaliso Sobukwe. Er wurde zwar nur zu 3 Jahre verurteilt, dann aber durch ein nach ihm benanntes Gesetz noch unbestimmt lange in ein eigenes Haus hierher gebracht. Er wurde nach 6 Jahren wegen Krebs aufs Festland gebracht. Das Haus wurde danach nicht mehr genutzt. Er hatte mehr Privilegien als andere, so konnte er zum Beispiel ein Fernstudium in Wirtschaftswissenschaft erfolgreich abschließen, hatte aber keinen Kontakt mit anderen Gefangenen. Rechts neben seinem Haus befinden sich heute Hundehütten, die nach Protesten in Soweto errichtet wurden.
In der Siedlung gibt es noch eine Kirche. Am Valentinstag kann man sie besuchen und dann kann man da auch heiraten, wenn man sich bis Ende Januar bewirbt. Es passen etwa 100 Leute rein.
Die Kirche war gegen Apartheid. Mitarbeiter der Kirche halfen den Gefangenen, da sie von den Wächtern respektiert und nicht kontrolliert wurden.
Seit 2017 gibt es hier neben Generatoren auch Solarstrom. Die Insel ist unabhängig vom Stromnetz – und damit einer der sehr wenigen Orte in Südafrika, die immer Strom haben. Sie sind da sehr stolz drauf hier, betont man. Sprit und Lebensmittel werden vollständig angeliefert, wöchentlich per Boot.
Wir machen Pause am Südzipfel der Insel. Man kann in einem Kiosk etwas kaufen, aber keinen Kaffee, weil es hier kein Wasser gibt.
In der Nähe sind Brillenpinguine. Robben Island ist die viertgrößte Brillenpinguin-Kolonie. Außerdem wurden Springbock, Buntbock, Steinbock und der europäische Rothirsch eingeführt zum Jagen
Während der Apartheid hat niemand versucht, zu fliehen. Es wären auch 7 Kilometer auf der kürzesten Strecke nach Milnerton und 11 zur Waterfront gewesen, wo wir vorhin losgefahren sind. Es gab aber auch kein Selbstmord. Und das, obwohl 41 Gefangene im Kalksteinbruch 9 Stunden pro Tag arbeiten mussten.
Auffällig auf dem Bild ist die Höhle. Sie wurde für das Mittagessen genutzt. Gepinkelt wurde in einen Eimer.
Sunset Bus
Nach meiner stark verspäteten Rückkehr von Robben Island – am Anleger liegt jetzt ein Seebär, der großes Interesse bei der Rückkehrern weckt – komme ich rechtzeitig zum Sunset-Bus, der von der Waterfront ohne Halt zum Signalhügel hoch fährt. Er fährt aber gegen den Uhrzeigersinn einmal um Signalhügel und Löwenkopf herum und dann erst hoch. Oben ist es extrem windig.
Eigentlich wollte ich bis zur Blauen Stunde bleiben, aber kurz vor Rückfahrt des Busses fängt es auch noch an zu regnen. Also doch in den Bus. Vielleicht kann man ja ein paar Fotos aus dem Bus machen. Kann man schon, außer man erwartet, dass das Bild scharf, gerade und frei von Spiegelungen und Bäumen ist.
Der Sunset-Bus macht im Dezember eine zusätzliche Runde in Adderley St. Die ist festlich dekoriert, ähnlich wie man das aus deutschen Städten kennt, nur ein bisschen kitschiger. Ich steige aus.
Nachdem ich Fotos gemacht habe, packe ich meinen Fotokram in meinen Rucksack und gehe einige hundert Meter zu meinem Hotel. Es ist allerdings auch eine recht hohe Polizeipräsenz unterwegs.
Vom neuen Zimmer habe ich einen fantastischen Ausblick auf den Tafelberg und die Strand St, an der das Hotel liegt. Die Straße heißt so, weil hier vor der Landgewinnung zur Errichtung eines tieferen Hafens um 1940 tatsächlich der Strand war (Strand heißt auch auf Englisch Strand). Jetzt liegt die Straße ein, zwei Kilometer landeinwärts.
Die Blaue Stunde ist schon vorbei. Eine abendliche Blaue Stunde werde ich nicht mehr haben, aber morgens gibt es ja auch eine.
Ich rufe noch bei der Rezeption an, dass ich meinen vorherigen Raum aufgegeben habe, und teile ihnen mit, dass da auch so zwei Dinge nicht in Ordnung waren: Die Fernbedienung macht komische Dinge (z.B. geht der Fernseher aus, wenn man die Lautstärke reduzieren wollte) und einige Tasten funktionierten anscheinend überhaupt nicht, und die Klospülung hörte meistens nicht auf, bis man sie erneut benutzt hat.
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