9-Euro-Ticket Fehmarn Tag 1: Gegenprogramm
Es muss nicht immer Sylt sein. Manchmal reicht auch Fehmarn.
Dieser Blogpost behandelt den 25. Juni 2022. Er ist zeitnah entstanden, aber aufgrund einer Umstellung der Exif-Anzeige und zu vieler anderer Reisen erst jetzt live gegangen. #firstworldproblems
Die Einführung des 9-Euro-Tickets hat sich gelohnt. Schon allein wegen der ganzen Memes. Auf Twitter hatte jemand beim Logo der Antifa die darauf normalerweise zu sehende Flagge durch die Silhoutte von Sylt ersetzt und „Leider arm und trotzdem da – 9-Euro-Ticket-Antifa“ daneben geschrieben.
Gegen Gentrifizierung zu protestieren, halte ich für durchaus angemessen. Egal ob jetzt auf Sylt oder anderswo.
Aber da so viele Leute davon sprachen, nach Sylt zu fahren – laut NDR gab es unter Journalisten den Gag, dass die Züge nach Sylt nur deshalb so voll waren, weil so viele Reporter prüfen wollten, ob die Züge voll seien –, habe ich einfach mal überlegt, was es alternativ gäbe. In Deutschland gibt es acht Inseln, die einen Schienenanschluss haben:
- Nordfriesische Inseln
- Sylt (Ankunft 10:52 Morsum, 11:07 Westerland; es gibt einen unpraktischeren früheren Takt)
- Halligen
- Nordstrandischmoor
- Oland
- Langeneß
- Ostseeinseln
- Fehmarn (Ankunft 10:37 Burg)
- Rügen (Ankunft 12:06 Altefähr, 12:28 Bergen)
- Usedom (Ankunft 13:35 Wolgaster Fähre, 14:25 Heringsdorf)
- Lindau (Ankunft 20:16)
Die drei Halligen sind aber nicht an das Schienennetz angeschlossen. Es handelt sich um Feldbahnen.
Lindau ist viel zu weit weg und Fehmarn ist sogar die mit der schnellsten Bahnverbindung ab Rotenburg (Wümme) (Abfahrt 06:55) oder Verden (Abfahrt 08:41). Gut dreieinhalb Stunden. Heute 3:20 Stunden durch Verspätung des ersten Zuges von Rotenburg nach Hamburg Hbf.
Die Idee bestand schon Mitte Mai, eigentlich als Firmenausflug mit insgeamt 4 Kollegen der Firma und ggf. Angehörigen. Den Termin habe ich gewählt, weil dies das einzige Wochenende ist, an dem ich in Deutschland bin, das 9-Euro-Ticket existiert und keine Ferien in Nord-Bundesländern sind (sprich gerade ist Nebensaison). Ursprünglich wollten wir unsere Fahrräder mitnehmen, aber das hat sich erledigt, nachdem der Metronom auf der Strecke zwischen Rotenburg und Hamburg die Mitnahme aufgrund von Erfahrungen an Pfingsten verboten hat. Man kann aber vor Ort einfache Fahrräder für den Preis eines Fahrradtickets leihen, sodass man für 1 oder 2 Tage auf denselben Preis käme.
Letztendlich hatte niemand der Kollegen Zeit oder Geld. Dass ich das machen möchte, kam dann auch erst am Freitag gegen 20 Uhr auf. Schnell ein paar Sachen gepackt, auch für den Fall einer Übernachtung, vier Bücher gekauft (das sind alle zu dem Thema, die nicht im Selbstverlag erschienen) und ab ins Bettchen. Bei 3 Stunden im Zug kann man die Bücher ja im Zug lesen.
Von den vier Büchern gefiel mir Lieblingsplätze der Krimiautorin Heike Meckelmann aus dem Gmeiner-Verlag am besten, gerade um einen Überblick zu erhalten. Die anderen drei waren die Titel der Verlage Michael Müller, Koehler und Reise Know-How. Lieblingsplätze und die der Kanarenreise zugrundeliegenden 111 Orte aus dem Emons-Verlag sind exakt gleich aufgebaut. Lediglich die Gestaltung weicht etwas ab und ist bei den Lieblingsplätzen weitaus moderner, wobei diese Serie ausschließlich zu DACH-Zielen existiert (davon aber nur eine Handvoll nicht Deutschland), während es die 111 Orte zu Themen weltweit gibt.
Der Zug von Rotenburg nach Hamburg ist nicht sehr voll. Der Zug nach Puttgarden (Fehmarn) ist bereits in Hamburg recht gut gefüllt, füllt sich aber im Verlauf der Fahrt weiter. Wer immer noch für sein Gepäck einen Sitz belegt, solle das btite überdenken, wird bei Einfahrt in den Bahnhof Scharbeutz durchgesagt – wo weit mehr als die Hälfte der Leute aussteigt. Bis nach Fehmarn ist der Zug kaum benutzt.
Bei meiner Ankunft auf der Insel ist es stark bewölkt. Ich leihe mir ein Fahrrad bei Sunny Bike nahe des Bahnhofs. Anders als in Ferienregionen am Mittelmeer haben die Fahrradverleihe auf Fehmarn alle nur bis 18 oder halb 19 geöffnet. Obwohl Sunny Bike zu letzteren gehört, ist die Abgabe bis 17:30 gewünscht, notfalls bis 18. (Ausnahmen existieren für Unwetter, wie ich später herausfinden werde.)
Ich fahre Richtung Burgstaaken. Dort steht das ehemalige U-Boot U 11 (1966) der Bundeswehr. Zunächst nur das Boot, existiert inzwischen auch eine kleine Ausstellung. Würde sich bei schlechtem Wetter ja anbieten. Zusammen kostet das 8 Euro. Die sind wohl auch dringend nötig, denn der Schriftzug am Gebäude liest auf einer Seite U-Boo -Museum und auf der anderen Seite -Boot ,Museum. Da sie kein Wechselgeld haben, komme ich aber nicht rein. Als ich beim Lidl (der wieder nahe des Fahrradverleihs ist) Geld abgehoben und Verpflegung gekauft habe, hat sich allerdings die Sonne durch die Wolken gekämpft und ich schenke mir das U-Boot.
Heute ist Midsummer Bully Festival. Da kommen VW-Busse aus ganz Deutschland nach Fehmarn und besetzen die Parkplätze und Freiflächen am Südstrand auf Burgtiefe.
Direkt beim Festival ist eine Burgruine. Viel steht nicht von der Burg von 1210, die im Dreißigjährigen Krieg 1628 zerstört wurde, und deren Backsteine dann anderweitig verwendet wurden. Sie versank erst im Sand und wurde 1872 durch ein Hochwasser wieder freigespült.
Ich mache mich auf zum südöstlichen Ende von Fehmarn.
Im Reiseführer steht, dass die Zufahrt zum Staberhof nur für Autos nicht erwünscht ist, Fahrräder aber OK sind.
Der Staberhof liegt auf dem direkten Weg von Staberdorf zum Leuchtturm im Südosten. Er ist bekannt für dieses Gebäude:
Mein Ziel, der Leuchtturm Staberhuk, ist leider nicht öffentlich zugänglich, da das Grundstück nicht des Wasserstraßenamtes, auf dem er steht, nicht zugänglich ist. Für ein Foto vom Tor aus ist der Sonnenstand ungünstig.
Also weiter an der Küste entlang. Man kann hier Vögeln (vor allem Kormoranen) und Menschen beim Vögeln zusehen. Toll!
Weiter geht es nach Bannesdorf auf Schotterpfaden am Wasser entlang. Zwischendrin mache ich mich mal wieder lang und verletze mir beide Hände und mein linkes Knie. Das rechte Knie, das ich mir an Tag 16 in Indonesien aufgeschlagen habe, bleibt hingegen unversehrt. Praktischerweise ist Salzwasser zum Desinfizieren nicht weit.
Schön anzusehen sind die vielen bunten Blumen der Blühstreifen, die Bauern für Bienen anlegen müssen. Inzwischen (gegen 16 Uhr) habe ich mich entschieden, dass ich über Nacht bleiben möchte. Einzelne Nächte buchen ist auf Fehmarn kompliziert. Es gibt ein paar Hotels, oder halt das Hostel in Burgstaaken. Das Hostel kostet 45 Euro pro Nacht. Ich kann ein 3-Bett-Zimmer zur Alleinbenutzung für den Preis bekommen, erfahre ich am Telefon. (Das Hostel ist auf Google Maps falsch eingezeichnet. Sucht stattdessen nach Marellas Haifischbar derselben Geschäftsführerin im selben Gebäude. Nutzt aber die Handynummer von der Website des Hostels. Die Übernachtung für alleinreisende Minderjährige ist schoin allein deshalb nicht möglich, da man in einer Raucherkneipe einchecken muss.)
In Bannesdorf gibt es eine Kirche. Am Eingang zum die Kirche umgebendenen Friedhof wird gebeten, die Pforte wegen der Rehe zu schließen. Zunächst überlege ich, ob die da drin Rehe halten, aber später wird mir klar, dass die die Rehe außerhalb meinen. Die sind hier nämlich fast so allgegenwärtig wie die Kaninchenplage.
Ich fahre zum Hostel, checke ein und informiere den Fahrradverleih, dass ich das Fahrrad einen Tag länger behalte. Ich hatte sie diesbezüglich vorgewarnt.
Es ist erst kurz vor 18, also kann man noch was ansehen. Ich fahre an der Südküste nach Westen. Dabei komme ich unter dem Kleiderbügel durch.
Dann geht es weiter nach Lemkenhafen. Name ist hier wie auch in Lemkendorf (wo ich den Dorfteich besuche) Programm, denn in beiden Orten gibt es die Namensgebenden Lämmchen.
In Petersdorf gibt es eine schöne Kirche. Als ich gerade den richtigen Ort gefunden habe, von dem ich sie fotografieren möchte, ist leider die Sonne weg. Es ist jetzt 19:55 Uhr. Macht nichts, morgen komme ich erneut hier vorbei. Und es hat sich trotzdem gelohnt, hier vorbeizukommen, denn hier gibt es einen Aldi, der noch offen hat. Die Supermärkte in Burg liegen nämlich nicht auf meinem Rückweg und selbst wenn, hätte ich sie nicht erreicht, bis sie um 21 Uhr schließen.
Zum Sonnenuntergang schaue ich nämlich nochmal an der Brücke vorbei, also ganz im Süden. Leider geht die Sonne jetzt zur Sonnenwende viel zu weit nördlich unter, als dass auf der Insel (im Ort Fehmarnsund) irgendwas vom Abendrot hinter der Brücke sichtbar ist. Vielleicht eher was für Oktober oder so.
Um diese Zeit schwirren große Insekten umher. Sie machen großen Lärm, der mich an Wespen erinnert und panisch werden lässt. Erst bei Abfahrt merke, dass sich so ein Viech auf meinem Rucksack im Fahrradkorb sitzt und es sich um einen Käfer handelt. Ich stupse ihn mit meiner Kamera an. Er fällt regungslos zu Boden und fliegt nicht weg. Später erfahre ich im Internet, dass es Junikäfer sind, die jetzt fliegen, weil sie dann nicht von tagaktiven Vögeln gefressen werden. Eigentlich suchen sie Bäume, aber Menschen sehen für sie wohl so ähnlich aus. Der wissenschaftliche Name der am häufigsten Junikäfer genannten Art, dem Gerippten Brachkäfer Amphimallon solstitiale, verweist sogar auf die Sonnenwende, die vor wenigen Tagen war.
Nun ab ins Hostel. Ich bin überrascht, dass ich von den etlichen kleinen Insekten keine ins Auge kriege. Da gab es ein traumatisches Erlebnis als Kind auf Fehmarn.
Laut Google Maps bin ich heute über 77 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren. Das ist für mich ein persönlicher Rekord. Für morgen plane ich nochmal 34 Kilometer. Und deshalb endet dieser Post auch mit – genau – einem Bild von Fahrrädern.
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