9-Euro-Ticket Pellworm (II) – Und nochmal bei Sonne
Und ist das eigentlich nachhaltig?
Dieser Beitrag behandelt den 21. August 2022.
Flug gestern ist ausgefallen. Dadurch habe ich einen Wochenendtag mehr für das 9-Euro-Ticket!
Als ich am Morgen aufstehe, weiß ich immer noch nicht so genau, wohin ich eigentlich will. Aber da helfen die Bahnunternehmen gerne: ME4 um 6:55 fällt aus. Dadurch fällt Fehmarn raus. Und selbst wenn der ME4 gefahren wäre, wäre der RE60 nach Sylt nicht gefahren. Bleibt noch Pellworm. Wetter soll gut werden. Aber der dafür nötige nächste Takt des ME4 um 7:55 fällt ebenfalls aus. Danke für nichts, Metronom.
Also fahre ich mit dem IC von Bremen nach Husum. Mal gucken, ob ich die 55,90 Super-Sparpreis wiederkriege. In Husum stellt sich heraus, dass der RE6 nach Sylt 10 Minuten Verspätung hat und man deshalb den Bus 140 nach Nordstrand-Fähranleger (Strucklahnungshörn) nicht kriegen würde.
Auf der Fährfahrt ist heute Niedrigwasser. Einige Sandbänke sind dadurch über Wasser. Darauf sitzen sehr viele Eiderenten, dazwischen mal ein Kormoran, eine Möwe oder auch ein Seehund. Von weitem sieht es auf Pellworm bewölkt aus. Tatsächlich sind es einfach nur sehr hohe Wolken über eine große Fläche. Auf der Insel ist es 50:50-Sonne-Wolken-Mix. Da muss man bei den Motiven halt mal ein, zwei Minuten warten.
Wie beim letzten Mal leihe ich mir ein Fahrrad.
Mein erstes Zeil ist der Leuchtturm. Ganz ran an ihn darf man nicht, außer man heiratet darauf. Beim Leuchtturm ist der Imbiss Lighthouse Inn. Man bestellt am Tresen und bekommt dann ein Gerät, das vibriert, wenn das Essen fertig ist. Die Geräte sehen schon sehr mitgenommen aus – die machen das also nicht erst wegen des aktuellen Personalmangels im Gastgewerbe.
Ich fahre auf dem Deich und später der Straße Richtung Westen.
Von dort fahre ich dann zur Neuen Kirche.
Danach fahre ich zur Alten Kirche, diesmal aber mit Sonne.
Bleibt noch ein Motiv, das ich beim letzten Mal nicht so fotografieren konnte wie ich wollte: die Nordermühle. Erstmal war keine Sonne und dann waren Gäste dieses Ferien-„Hauses“ gerade am Entladen.
Heute kann man praktisch nicht zu spät kommen, wenn man im Westen ist, denn daher kommt starker Wind. So bin ich schnell von der Mühle in Tammensiel, dem Hauptort von Pellworm. Wie letztes Mal auch bin ich wieder knapp 26 Kilometer gefahren. Dann ab zur Fähre und mit dem Bus nach Husum.
Als ich wieder in Husum am Bahnhof bin, kommt gerade der um eine halbe Stunde verspätete RE60 von Sylt an. Dadurch erreiche ich sogar noch den (ebenfalls verspäteten) letzten ME4 zurück nach Rotenburg und muss keine Stunde auf die Bimmelbahn MEr41 zwei Takte weiter warten.
Derweil in Berlin: Es ist 2. Tag der offenen Tür im Bundesfinanzministerium. Ein Typ Mitte 20 sagt bei Minute 58:39 zu Christian Linder, dass er über 11.500 Kilometer mit der Bahn gefahren sei, und fragt, warum eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets an der FDP scheitere.
Christian Lindner ist ja eigentlich rhetorisch stark, aber das bringt ihn komplett aus dem Konzept:
11.000 Kilometer sind Sie gefahren!?
11.000 Kilometer für 27 Euro!?
11.000 Kilometer für 27 Euro?
Das ist nicht nachhaltig.
Das nicht nachhaltig.
Und 11.000 Kilometer ... ich mein ... ähm ... ehrlich gesagt, 11.000 Kilometer zu fahren ... also jeder ist ja ... ist ja frei das zu tun, aber da wird nicht jede Fahrt notwendig gewesen sein.
Und nicht in jedem Jahr sind Sie 11.000 Kilometer gefahren, oder?
Das bedeutet also, das 9-Euro-Ticket hat dazu geführt, dass Sie die Bahn für Ihre privaten Fahrten stärker in Anspruch genommen haben als im letzten Jahr.
Ist das nachhaltig?
Ich würde sagen:
I beg to differ.
Ich find das nicht nachhaltig.
Ich finde das nicht nachhaltig.
Und deshalb will ich die richtige Lehre aus dem 9-Euro-Ticket ziehen.
Das war ja ’ne Idee – weil Sie sagen, es scheitert an den Liberalen usw. – das war ’ne liberale Idee.
Der liberale Verkehrsminister Volker Wissing hat sich das einfallen lassen. Nicht die Kolleginnen und Kollegen der Grünen, sondern mein Resortkollege hat das aufgebracht.
Und daraus kann man jetzt auch Schlussfolgerungen ziehen, die sinnvoll sind.
Wir haben einen Tarifdschungel in Deutschland.
Als vergleichen Sie mal Nahverkehrstabelle Hamburg mit München und Berlin. Die sieht ganz anders aus. Nicht vergleichbar.
Versuchen Sie mal, hier von Berlin aus in Remscheid online einen Fahrschein für den Nahverkehr zu bekommen.
Jetzt weiß ich nicht, ob’s in Remscheid geht, aber zumindest nicht überall ginge das auf ’nem digitalen Weg.
Ich frage mich, wo wir leben, dass ein Wähler von einem Politik so angegriffen wird. Und wo ein Politiker sich erlaubt, die Notwendigkeit einer Fahrt zu bewerten. Vielleicht ist es nach zwei Coronajahren einfach mal notwendig, ein bisschen raus zu kommen? Reisen ins Ausland sind (auch deshalb) teuer, die Auswirkungen von Corona im Ausland können auch nicht so geil sein und die Personalsituation an den Flughäfen äußerst bescheiden. Und dann führt es halt im Vergleich zu 80% mehr Verkehr auf touristischen Routen bei dennoch genau so viel Autoverkehr – ohne dass sich die Herausgeber der Studie fragen, wie’s denn ohne 9-Euro-Ticket auf der Straße ausgesehen hätte.
Und jetzt mal unabhängig vom touristischen Aspekt – wie viel bin ich in seinem Alter in 13 Wochen gefahren, als ich zur Uni pendeln musste? 11.000 Kilometer.
Kommentare
Es gibt noch keine Kommentare zu dieser News.