Dodekanes III Tag 4 (Chálki): Massentourismus ohne Infrastruktur
Es geht da weiter, wo es auf Tílos aufgehört hat: Verlassene Orte in (zumindest heutzutage) unpraktischen Lagen kann nämlich auch Chálki bieten. Nur ist es wesentlich schwieriger, dorthin zu kommen, da es auf Chálki keinerlei Infrastruktur hat
Dies ist der letzte aufgestaute Blogpost. Erstmals seit Anfang Januar (derzeit nicht sichtbare Posts) bzw. 19. November hat das Blog keinen Rückstau.
Ich bin zwar pünktlich zur Abfahrt der Fähre Nissos Chalki um 9:15 am Anleger, aber die ist voll. Dass Doppel-S in ihrem Namen ist übrigens nicht im griechischen Original (Nísos – dt. Insel) da. Ich vermute, dass sie das machen, damit der Brite nicht ‚Neißos‘ sagt. Verwunderlich ist in dem Zusammenhang aber, dass man dann als zweites Wort nicht ‚Halki‘ nimmt, was man oft macht, damit Briten nicht ‚Tschälki‘ sagen. Chálki heißt übrigens ‚Kupfer‘.
Weil die Fähre ausgebucht ist, hat das Pärchen vor mir schon die Fahrt um 11:30 gebucht, aber das ist mir zu spät. Ich weiß, dass der Anbieter ALKO am Stand daneben eine Fähre um 10 anbietet. Sie hat auch keinen groß diskutierbaren Namen, denn sie heißt Fédon (ein antiker Herrschaft des nordwestlichen Peloponnes). Ein Ticket dafür könnte sie mir verkaufen, sagt das Mädel am Stand, aber keine Rückfahrt. Und das, obwohl die Nissos Chalki sonntags (sowie donnerstags) je viermal statt wie sonst zweimal pro Richtung fährt.
Ich frage am Stand nebenan. Sie verkaufen mir noch ein Ticket für die Hinfahrt. Anders als bei ALKO muss ich auch keinen Einwegzuschlag zahlen, der das Ticket auf 15 Euro treibt, sondern zahle mit 11 Euro die Hälfte einer Rückfahrt. Und das, obwohl Nissos Chalki auch eine Hinfahrt anbieten könnte.
Bis es los geht, kann ich mich ein bisschen umsehen. Kámiros Skála hat eine einzige Sehenswürdigkeit, das „‚Lykische‘ Grab“. Die Anführungszeichen sind sogar im Original da, wohl weil es keine wirkliche Definition gibt, es „lykisch“ ist. Das Grab stammt aus hellenistischer Zeit.
Ursprünglich wollte ich gar nicht nach Chálki sondern um 9:45 nach Alimiá. Deshalb hatte ich einen Tagesausflug mit Natása Boat gebucht. Als ich am Montag (also vor 6 Tagen) nachgefragt hatte, sagte man mir, ich hätte mich zu spät gemeldet und der Trip sei ausgebucht. Eine Rückbestätigung eine Woche vorher war nämlich abgemacht, ich hatte aber gedacht, der Anbieter würde sich bei mir melden und nicht andersherum. 95 Euro für den Trip wäre zwar nicht billig gewesen, aber mit Verpflegung und Transfer, der mich nach Ródos-Stadt bestimmt 50 Euro gekostet hätte. So muss ich halt noch einen Tag länger in den nicht so bequemen Betten der Pension Liros schlafen und morgen früh mit dem Bus fahren. Dem einzigen. Der auch nicht jeden Tag fährt, heute nämlich nicht.
Bei Abfahrt der Fédon um 10 Uhr liegt die Natása allerdings immer noch im Hafen.
Kurz darauf stürmen viele Fahrgäste zum Heck der Fédon: Ein paar Delfine folgen uns. Ein Mann von der Crew scheucht die Leute aber wieder zurück auf die Plätze. Wahrscheinlich falsche Gewichtsverlagerung. Schade.
So, genug genörgelt. Zeit für Chálki. Okay, einmal Nörgeln muss noch, wir sind etwas zu spät.
Am Hafen könnte man mit Kapitän Giánnis nach Trachiá fahren. Das ist der Strand, der im Süden der Insel eine Landbrücke bildet.
Das Bild oben entstand stehend auf einem unförmigen Stein an einer Straße, die einige Besucher nutzen, um zum nahen Strand Ftenágia zu kommen. Man kommt an einigen Sendeanlagen und einer leicht erhöhten Hütte vorbei, in der sich ein Artilleriewagen befindet – wie auch immer der da rein gekommen ist, denn die Umgebung ist voller größerer Steine.
Südlich des Ortes befinden sich drei Windmühlen. Wenn man auf dem Weg dorthin geht, muss man direkt vorm Helikopter-Landeplatz, wo man laut Schild nicht geradeaus weiter darf, links auf einen Pfad abbiegen. Die Windmühlen sind inzwischen aufgegeben worden. Zwei der Windmühlen haben keine Dachverkleidung mehr – die weggewehten Metallteile liegen in der Umgebung. Diese zwei Windmühlen können betreten werden. Die mittlere wohl nicht nur von Menschen, was die Ködel und der Geruch bezeugen. Da auch dieses Gebiet voller größerer Steine ist, wundert mich auch nicht, warum die Windmühlen aufgegeben wurden.
Ich folge drei Franzosen, die Querfeldein zurück zum Ort laufen. Von dort laufe ich auf der Straße nach Westen. Auf Chálki gibt es keine mietbaren Fahrzeuge, aber die Einheimischen fahren mit ihren Fahrzeugen umher, bis die Uferpromenade von Imborió um 18 Uhr dafür geschlossen wird. Auch ein Taxi (Minibus) gibt es. Die Polizei und die Hafenbehörde haben hingegen winzige Elektroautos vom Typ Citroën ami (auch Opel Rocks-e oder Fiat Topolino genannt).
Ich stelle mir vor, dass ein E-Bike-Verleih hier die Geschäftsidee meines Lebens sein könnte. Der durchschnittliche Tourist kommt somit nur mit Booten wie dem von Kapitän Giánnis vom Hauptort der extrem bergigen Insel weg – oder er läuft die besagte Straße entlang und bleibt im Normalfall spätestens am Póndamos-Strand am Ortsausgang hängen. Entsprechend überfüllt ist es dort:
Ich laufe die Straße hingegen weiter und erreiche nach fast einer Stunde Chorió, ein altes verlassenes Dorf. Oberhalb des Dorfes befindet sich eine Johanniterfestung.
Zunächst gehe ich aber die Straße weiter hoch. Sie führt zum Kloster Ái Giánnis Alárga – wörtlich „St. Johannes JWD“ (janz weit draußen). Name ist Programm, denn nach gut einer Stunde Wanderung bergauf befinde ich mich gerade mal auf halber Strecke. Die zweite Hälfte der Strecke zum Kloster führt noch weiter hoch, hat aber dann überhaupt keinen Schatten mehr, weshalb ich umdrehe.
Eigentlich hätte ich gern die Kirche Ágios Panormítis gesehen, die sich hier am Ende einer Stichstraße in einem ungewöhnlich grünen Bereich befindet, aber das Tor bei der Kirche ist verschlossen. (Das zur Stichstraße zwar auch, aber das konnte ich öffnen.)
Gut, dann mal rauf auf die Johanniterburg von Chorió. Der Ort befindet sich zum Schutz vor Piratenangriffen eine Stunde steilen Fußweg vom heutigen Hauptort und Hafen entfernt und wurde in den 1960ern aufgegeben.
So, nun aber zurück zum Hauptort und was essen. Runter geht irgendwie schneller als rauf.
Nach Ankunft zurück in Kámiros Skála gehe ich zum Hotel. Der Hotelier spricht übrigens fließend Deutsch. Der Bereich um die Rezeption ist voller HSV-Devotionalien. Das Leben als HSV-Fan ist nach den mehrmals knapp verpassten Aufstiegen nicht einfach, aber heute hat der Verein sein erstes Testspiel gewonnen gegen den Landesliga-Lüneburg-Vizemeister (6. Liga) FC Verden 04 aus meiner Heimatstadt mit 2:3 (1:2) knapp gewonnen.
Aufgrund der langen Wanderung gehe ich gleich nochmal was essen und dann ins Bett.
Tatsächlich kommt der Bus am nächsten Morgen pünktlich. Bereits auf der Strecke nur von ihm bedient wird, ist der Bus voll. Als er dann noch in Theológos nahe am Flughafen vor zwei großen Hotelkomplexen hält, ist das Ding wirklich voll. So richtig voll, gar Santoríni-voll. Und wenige Stationen weiter müssen ein Mädel, das mit mir zugestiegen ist und noch einen kleinen Koffer dabei hat, und ich wieder raus. Es ist nicht so einfach.
Der Flieger ist nochmals leerer als der Hinflug. Es mögen vielleicht so 40 bis 50 Leute sein. Sequenznummer 1 hat mich auf Platz 16D gesetzt. Ich darf eine Reihe nach vorne an den Notausgang, weil da niemand sitzt, aber jemand sitzen muss.
Wahrscheinlich aufgrund der geringen Auslastung hat man zwei Tage später einfach eine Zwischenlandung in Kérkyra–Ioánnis Kapodístrias gemacht und da Passagiere aufgesammelt.
Ankunft in Köln/Bonn–Konrad Adenauer ist leicht überpünktlich und ich erreiche noch gerade so die Regionalbahn nach Messe-Deutz. Dann geht es weiter nach Hamm und dann weiter nach Minden, wo ich meinen Anschluss an die S-Bahn-Hannover verpasse. 30 Minuten Verspätung bei Ankunft auf dem P&R-Parkplatz Langenhagen-Mitte sind ja noch okay auf meiner ersten Fahrt mit dem Deutschland-Ticket.
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