Kríti (Kreta) VI Tag 1 und 2: Chrysí – Strand gut und Strandschlecht
Warum ist Strandgut schlecht? Und welcher Strand ist gut? Und darf man da überhaupt hin?
Diese Serie behandelt den 24. Oktober bis 6. November 2023.
Immer rede ich von Kreta. Aber immer war ich nur kurz da. Das soll sich jetzt ändern: 12 komplette Tage Kreta. Und ein paar umliegende Inseln.
Die Saison auf Kreta endet immer am 31. Oktober. Danach läuft dort praktisch nichts mehr. Wie viel, werde ich herausfinden. Ebenfalls spannend: Wie kommt man danach zurück. Ein paar Flüge gibt es noch, aber die sind unfassbar teuer. Übrigens sogar die Hinflüge.
Daher habe ich bereits am 24.7. die Rückflüge gebucht: Kretas Flagcarrier Skyexpress bringt mich für 28,11 nach Athen, von da bringt mich am nächsten Tag Scoot (Singapore Airlines) für 36,08 nach Berlin. Und für die Bahnfahrt nach Hause muss ich bei 16,90 auch nicht die Urlaubskasse plündern. Macht zusammen 81,09.
Die Hinflug habe ich lange nicht gebucht. Aufgrund dessen, was bei Wikipedia zum Thema Zahlungsfähigkeit von Corendon steht, wollte ich nicht zu früh buchen (60 Euro in den letzten Tagen der Saison, ich hatte samstagfrüh im Visier). Die Hinflüge von Eurowings zum Saisonende sind hingegen überraschend teuer. Da ich gerne nach Andikýthira wollte, die letzte Fähre für einen Tagesausflug (es gibt dort praktisch keine Übernachtungsmöglichkeiten) aber am 25. Oktober gehen sollte und am 26. bis 28. die letzten Fahrten nach Gav́dos angesetzt waren, entschied ich mich erst am 4. Oktober für einen Hinflug am Nachmittag des 24. Oktober mit Sundair für 83 Euro (plus Nahverkehrsticket dorthin) ab Bremen. Gepäckgebühren für großes Handgepäckstück bei allen drei Flügen nicht vorhanden. Grüße an Eurowings!
Hin- und Rückflug habe ich also. Was ich nicht habe: Auch nur den geringsten Plan mehr als einen Tag im Voraus. Hatte ich bei meinem ersten Besuch auf Kreta auch nicht, also los geht’s.
Die Saison der Fähre nach Andikýthira wurde spontan um eine Woche verlängert. Da die Ankunft der Rückfahrt sehr spät gewesen wäre (gegen 0) und ich zur Weiterreise nach Gav́dos am nächsten Tag (10:30) zwei Stunden hätte fahren müssen, verschiebe ich meinen Besuch auf Andikýthira lieber auf die nächste Woche und frage am Tag vor der Abreise bei Nautilos Cruises eine andere Insel an: Chrysí. Es ist noch Platz unter den 18 Leuten.
Noch mehr Platz ist im Flieger: „Welchen Sitzplatz möchten Sie? Wir sind nur 18, Sie haben also freie Auswahl“, sagt das Mädel am Check-in, „Na dann Notausgang“. „Haben Sie noch Gepäck“, fragt sie noch. „Nö“ – „Is ja chillig“.
Der Flieger geht aus dem Nicht-Schengen-Bereich. Der Beamte vom Grenzschutz ist irritiert. Er schaut nach: stimmt. Könnte daran liegen, dass der Flieger aus Antalya kommt. Kurz darauf wird der Flug dann aber an ein Schengen-Gate verlegt. Da ist die Frau dann nicht mehr so chillig, denn wir sollen bereits deutlich vor der aufgedruckten Schließung des Gates rein. Der Flieger setzt sich aber trotzdem erst zur angekündigten Zeit in Bewegung.
Am Ende sind nur 16 Fluggäste drin. Das ist die niedrigste Anzahl an Passagieren, die ich jemals in einem Flugzeug hatte. Die bis dahin niedrigste Anzahl waren mehr als doppelt so viele auf dem Hinflug nach Kreta letztes Jahr um diese Zeit.
Mietwagen wieder bei Autocandia. 96 Euro für 12 Tage wollten wir haben. Dazu noch 84 Versicherung. Aber irgendwas stimmt mit dem Licht nicht. Ich kann nur wenige Meter voraus sehen. Höheneinstellung bringt auch nichts. Es kommt mir schon die ganze Zeit komisch vor, aber als nach 10 Kilometern die Straßenbeleuchtung aufhört, wird es so richtig auffällig. Ich fahre zurück (wie beim letzten Mal zuerst jedoch zum selben falschen Ort im Industriegebiet, was aber diesmal immerhin auf dem Weg liegt). So richtig glaubt man mir nicht, da nach erneutem Verstellen der Höhe es zumindest rechts nicht mehr so auffällig ist und es auf dem engen Parkplatz der Autovermietungen am Flughafen auch nicht genug Platz gibt, das zu überprüfen.
Übrigens: Abblendlicht reicht normalerweise bis zu 100× der Einbauhöhe voraus, Fernlicht 650 Meter.
Irgendwie erreiche ich dann aber doch Ierápetra, wo ich vorm Abflug aus dem Flugzeug mein erstes Hotel gebucht habe.
Frühstück ist nicht inklusive, aber in Ierápetra gibt es einen Lidl etwa anderthalb Kilometer Fußweg vom Hotel entfernt. Als ich fast da bin, fällt mir auf, dass ich mein Geld im Hotel vergessen habe. Außerdem fällt mir auf, dass ich sowieso nicht wie geplant vom Hotel zum Hafen laufen sollte, da der deutlich weiter weg ist als gedacht. Also checke ich aus und fahre mit dem Auto zum Lidl und dann zum Hafen. Die Nautilos erreiche so pünktlich, aber sie fährt eh erst eine halbe Stunde später ab. Ich habe nicht gezählt, aber das Boot dürfte voll oder annährend voll gewesen sein.
Chrysí (Gaidouronísi, Gadaronísi)
Zu Chrysí finden sich viele Informationen. Im Mai 2022 soll die Insel komplett gesperrt worden sein. Gelegentlich liest man, dass Touristenboote in die Nähe fahren (so 10 bis 40 Meter entfernt) und man rüber schwimmen muss und dann die Insel am der Küste umwandern darf. Ich habe sicherheitshalber einen Drybag mitgenommen. Tatsächlich werden wir aus der genannten Distanz mit einem Beiboot zum Belegrína-Strand im Nordosten der Insel gebracht. Sonnenschirme gibt’s gratis dazu. Am Strand steht, wie an allen badetauglichen Stränden (Máti, Vánges und Frángou Mníma – alle im Südosten) sowie im einzigen „Ort“ Avláki im Nordwesten ein Schild. Da es auf einen Beschluss von 2021 Bezug nimmt, dürfte es aktuell sein. Dort stehen die sieben Gesetze, nach denen die Insel geschützt ist, und „Regeln für den Besuch und Aufenthalt“. Wenn es Regeln gibt, kann das ja nicht komplett verboten sein. Den Regeln zufolge wird den Besuchern „mit Nachdruck geraten“ („strongly advised“)
- die Sanddünen des Juniperus-Wald (Zone A1) nicht zu betreten, zu durchwandern oder sich dort aufzuhalten,
- sich darauf vorzubereiten, dass es keine Infrastuktur oder Dienstleistungen auf der Insel gibt,
- keinen Müll jedweder Art und Größe zurückzulassen,
- keine Pflanzen oder Pflanzenteile abzuschneiden und keine Samen und Muscheln zu sammeln,
- keine Pflanzen udn Tiere auf die Insel zu bringen,
- nicht zu zelten oder auf der Insel zu übernachten,
- kein Feuer zu machen und sehr vorsichtig bei allen Aktivitäten zu sein, bei denen man sich verletzten könnte,
- keine Audioausrüstung oder lärmende Geräte mitzubringen,
- keine privaten Motorfahrzeuge zu fahren,
- zu jagen und draußen zu handeln.
(Eigene Übersetzung)
Wenn man sich an die Regeln hält, die einem so nachdrücklich angeraten werden, dürfte man tatsächlich die gesamte Insel umwandern. Lediglich ein kleines Stück Küste an der Nordostspitze gehört zur Zone A1, allerdings ist dieser Bereich so unwegsam (weil steil), dass man dort praktisch nicht entlang laufen kann, selbst wenn man wollte. Die Zone A1 umfasst ansonsten Gebiet in der Nähe der Nordküste sowie die gesamte Fläche zwischen Belegrína- und Vánges-Strand. Auch die gesamte Nebeninsel Mikronísi gehört zum geschützten Strand mit Wacholderwald. Spoiler: Mikronísi ist eine Felseninsel und es gibt keine Vegetation höher als 10 oder 20 cm dort, wie man auf Fotos mit Teleobjektiv gut sehen kann. Es gibt noch eine Zone B, die diese beiden Stände, der Weg dazwischen sowie der an Vánges angrenzende Máti-Strand umfasst, letzteren zudem mit etwas Hinterland. Außerdem gehört der „Ort“ Avláki dazu und ein Gebäude auf dem höchsten Hügel Kefala (31 Meter) im äußersten Nordosten der Insel. Der Rest zählt als Zone A2.
Ich sage mal so: Wenn man wollte, dass Leute gar nicht mehr her kommen, hätte man ein Schild aufgestellt und im Hafen von Ierápetra mit den Bootsbesitzern ein ordentlich Wörtchen gesprochen.
Nun also einmal gegen den Uhrzeigersinn um die Insel. Es ist jetzt etwa 11 Uhr. Die anderen bleiben am Strand und werden um 14 für das Mittagessen abgeholt. Es gibt diese Yachtausflüge grundsätzlich in drei Varianten: Klassisch, halbprivat und privat. Der Unterschied zwischen den ersten zwei ist lediglich, dass die halbprivate Version mit Verpflegung ist. Ich habe die Tour ohne Verpflegung gebucht (50 Euro). Da wird amn dann um 16 wieder abgeholt.
Grund für den Schutz der Insel ist der Chrysí-Wacholder. Der braucht Wasser und das wenige Grundwasser wurde durch bis zu 200.000 Besucher im Jahr erschöpft. Bis 2017 gab es auch zwei Tavernen. Deren Überreste, vor allem Kühltruhen, befinden sich im Südwesten der Insel.
Der Chatzovólakas-Strand ist zudem sehr vollgemüllt. Ich habe zufällig einen Müllbeutel dabei, den ich mit Gegenständen vom Strand fülle. Auf Amrum habe ich im September gelernt, dass der Begriff Strandgut besser Strandschlecht heißen sollte, bei dem, was das den Tieren antut. Ich konzentriere mich auf Dinge, von denen ich basierend auf meinen Erfahrunge aus Helgoland letztes Jahr annehme, dass sie für Vögel am gefährlichsten sein könnten.
„Sand“ sind auf Chrysí oft winzige Muscheln. So winzig, dass das den anderen gar nicht aufgefallen ist. Im Süden kommen zudem Rhodolithe dazu, die oft „Popcorn“ genannt werden und Steinchen sind, die von versteinerten Algen umgeben sind.
Ein Stöcken weiter kommt man nach Avláki. Dort befindet sich einer der zwei Häfen (der andere ist in Máti).
Im Hafen sind ein paar Leute, die mich nicht weiter beachten. Dort gibt es auch einige Müllbehälter, in denen ich meinen inzwischen vollen Müllsack ausleere. Am seltsamten davon finde ich eine Kopfstütze eines Bürostuhls und eine verschlossene Dose Nüsse.
Eigentlich unnötig zu erwähnen, aber es gibt auf der Insel selbstverständlich auch ein Kirchlein. Ebenfalls unnötig zu erwähnen ist der Name, der wie bei gefühlt fast allen Kirchen in Griechenland Ágios Nikólaos lautet.
Am Kirchlein läuft eine Ausgrabung (daher stammt der Sonnenschirm auf dem Bild oben). EIne Frau erzählt mir, ich dürfe hier nicht sein. Ihr sei das egal, aber ich solle das nicht öffentlich kundtun. Eigentlich sollte hier niemand sein, auch nicht am Strand. Ich frage sie, was sie tun. Zusätzlich zur minoischen Stätte am Leuchtturm hätten sie hier eine byzantinische Stätte gefunden, erklärt sie.
Am Leuchtturm ist der Weg zuende. Da die Hausrotschwänze und Rotkehlchen jetzt nicht brüten (und da sie wohl auch höher brüten würden) laufe ich querfeldein. Ich begegne den Ziegen, die illegal hierher gebracht wurden. Einige haben Junge.
Etwas weiter östlich am Máti-Anleger steht ein weiteres, aber schon recht zerfallenes Kirchenmodell.
Kommen wir nun zum Hügel, Kefala (von Kefáli „Kopf“ bzw. Kefalí „Haupt (i.S.v. Kopf)“). Da steht wie erwähnt ein Gebäude drauf:
Das Gebäude besteht aus zwei Teilen. Der rechte ist überwiegend leer, während der linke eine Unterkunft zu sein scheint. Es gibt ein Hochbett und eine kleine Kochecke.
Die Zeitschrift, die auf dem Bett liegt, ist von 2019. Im Schrank unter der Kochecke sind noch Lebensmittel, z.B. Paximádi (Gerstenzwieback).
Und es gibt nach dem Gebäude im Hafen von Avláki, dem Kirchlein Ágios Nikólaos und dem Gebäude auf dem Kefala noch ein viertes Gebäude auf Chrysí. Sein Zweck ist nicht mehr wirklich erkennbar. Anders als das Gebäude auf dem Kefala scheint es aber schon lange aufgegeben worden zu sein, da es zusammengestürzt ist. Oder war es andersherum?
Interessant ist jetzt die Frage: Was ist das für ein Wandbild rechts? Es könnte Chrysí sein – dafür ist es jedoch spiegelverkehrt.
So, damit wäre die Insel jetzt einmal umwandert. Dauerte etwa 5 Stunden.
Nach Rückkehr fragt mich der Skipper, ob ich ihm die Fotos schicke. Das habe ich am Samstag (vier Tage später) gemacht, aber keine Antwort erhalten, was mich ärgert.
Anschließend schaue ich mich ein bisschen in Ierápetra um. Heute Morgen habe ich auf dem vergeblichen Weg zum Lidl eine Kirche (Tímios Stavrós – „ehrwürdiges Kreuz“) gesehen. Diese fotografiere ich ebenso wie das Napoleon-Haus. Erst beim Bloggen fällt mir auf, dass offenbar Salzwasser auf die Linse gekommen ist und daher alle Ierápetra-Bilder unbrauchbar sind. Na toll.
Bevor ich mich auf die vierstündige Fahrt Richtung in Richtung Chóra Sfakíon mache, buche ich telefonisch ein Hotel, das Saint George in Káto Rodákino, 30 Minuten vor Chóra Sfakíon. Ich habe es bei Booking gefunden, buche aber teilweise lieber individuell, um (kleinen) Hotels die Gebühren zu sparen. Die höchstmöglichen Bonusrang bei Booking habe ich sowieso (und der kann auch nicht sinken). Es gibt allerdings auch einzelne Hotels, die keine direkten Buchungen annehmen und möchten, dass man über Booking bucht.
Unterwegs treffe ich auf so einiges Getier: In einem kleinen Dorf schaffe ich es nicht, einer kleineren Katze auszuweichen. Sie schafft es aber unversehrt unter dem Auto durch. Da hat sie wohl jetzt eins ihrer sieben Leben verloren. Und ein weiteres verliert sie keine Sekunde später, als der mir entgegenkommende Lastwagen nur knapp bremsen kann. Und das kann auch hier etwas später gerade so, als plötzlich ein Igel aus dem Gebüsch kommt und vor meinem Auto stehen bleibt. Noch ein Stück weiter kommt ein Hund von der Seite gelaufen und bellt mein Auto an, was mich sehr erschreckt. Immerhin bin ich jetzt wach für die weitere Fahrt.
Auf der lotst mich Google zielsicher in eine Straßensperrung – und das obwohl sie sogar eingezeichnet ist! Danke für nichts. Es handelt sich um den Kotsifoú-Canyon. An der gesperrten Straße liegt eine Kirche, die natürlich Ágios Nikólaos heißt, und auch schon mal im Blog zu sehen war:
Ich drehe um und fahre via Plakiás. 50 Minuten verloren.
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