9-Euro-Ticket Helgoland (II) Tag 2: Gute Führung
Die Dinger und Viecher auf Helgoland
Aufstehen um 9. Da ich selbst in dunklen Räumen ohne Schlafmaske nicht mehr richtig schlafen kann, war die Nacht etwas blöd. Da ich eigentlich nicht hier schlafen wollte, hatte ich die nicht mitgenommen.
Egal. Jetzt gibt’s erstmal Chinanudeln.
Dann Auschecken und bezahlen. Gleich bei Öffnung der Bude des Vereins Jordsand 9:30 melde ich mich für deren zwei Führungen heute an. Beide Führerinnen sind anwesend. Die Führung gleich auf der Düne hätte auch ohne mich stattgefunden – dann mit zwei, aber mit mir halt mit drei Teilnehmern. In den 14 Euro ist die Fährfahrt mit drin, die alleine 6 Euro kostet. Die Vogelführung kostet 10 Euro und findet wie gestern erwähnt am Lummenfelsen statt, wo man zu Fuß hin muss.
Es ist aber noch eine halbe Stunde hin. Zeit die Hummerbuden im Morgenlicht zu fotografieren. Mich wundert, dass mir keine der beiden nachruft, dass das die falsche Richtung ist, in die ich gehe. Aber immerhin finde ich so heraus, wer hier diesen ohrenbetäubenden Lärm im Hafen macht: Eine kleine Motoryacht tankt gerade. Eine Frau kommt und fragt nach, was ist los ist: Das Boot würde das machen, damit man merkt, wann es voll ist. Es würde daher immer lauter. Das sei nicht richtig, meint die Frau und es kommt zu einer Diskussion.
So, nun aber ab zum Startpunkt an den Landungsbrücken. Von dort geht es mit der Fähre Witte Kliff rüber auf die Düneninsel. Auf dem Boot treffen die Führerin und ich dann auch endlich die anderen beiden Teilnehmer.
Wir gehen zuerst zum Nordstrand. Dort betrachten wir, was das Meer so angeschwemmt hat: Steine und Seetang.
Frischen grünen Tang könnte man essen, aber aller Tang hier am Strand ist so bräunlich und verdorrt wie der auf dem Bild und stinkt doch recht penetrant nach Ammoniak.
Während wir von West nach Ost über den Nordstrand streifen, sammeln wir Steine. Zwei besonders begehrenswerte gibt es: rote Feuersteine und Hühnergötter – so nennt man Steine mit Loch drin, das nicht durch ein Tier gebohrt wurde sondern entstand, weil weicheres Material in der Mitte des Steins mit der Zeit ausgewaschen wurde. Wir finden keine dieser Steine, nur einen schwarzen Feuerstein. Der Begriff Hühnergott ist übrigens lehnübersetzt aus dem Russischen, da solche Steine mit Loch drin als Schutzamulette genutzt wurden, damit den Hühnern nichts passiert.
Am Ostende des Nordstrands waren die ganze Zeit Seehunde oder Kegelrobben, die sich jedoch von den Menschen dort gestört fühlten und deshalb bis zu unserer Ankunft am westlichen Ende wieder im Wasser sind.
Wir verlassen den Strand und gehen ins Inselinnere. Die Vegetation hier wird dominiert von Kartoffel-Rose und Sanddorn. Auch die Fliederbeere (norddt. für Schwarzer Holunder) findet man öfter. All diese Pflanzen wurden zur Befestigung des Bodens eingeführt. Sie verdrängen allerdings Strandhafer und Strandgerste.
Am Flugplatz gibt es einige Landungen. Wir wollen einen Start beobachten, aber der wird abgebrochen und das Flugzeug rollt zurück auf die Parkposition. Dann also wieder zu den Vögeln, da klappt das mit dem Starten einfach besser.
Auf der Düne gibt es zwei künstlich angelegete Süßwasserseen rund um den Johnny’s Hill, wobei der westliche ziemlich überwuchert ist. Der östliche wird von Möwen genutzt, die hier eine Drüse reinigen, mit denen sie das Salz ausscheiden, das sie aus dem Meerwasser filtern. Außerdem wurden hier essbare Fische und Rotwangen-Schmuckschildkröten ausgesetzt. Letztere vermehren sich aber anders als befürchtet nicht, sondern bleiben in ihrer Anzahl konstant.
Von dort aus geht es dann ab zum Südstream.
Dort sind tatsächlich recht viele Seehunde zugegen. Robben allerdings nicht. Robben fressen übrigens junge Tiere ihrer eigenen Art, aber auch junge Seehunde. Die Seehunde kommen zu dieser Jahreszeit zur Welt, allerdings auf Sandbänken. Seehunde wechseln ihr Fell bereits im Mutterleib, sodass man bei Geburt noch ein Fell mit dazubekommt und die Tiere bereits schwimmen können. Die Kegelrobben kriegen ihre Jungen im Winter, weshalb dann die Strände gesperrt sind. Die Robben können nicht schwimmen und müssen erst ihr Fell wechseln. Robben sind nicht jagbar. Seehunde theoretisch schon, aber sie sind ganzjährig geschont.
Das Bild oben ist eins der wenigen, wo die Seehunde nicht komplett von Fliegen übersät sind.
Hier endet dann unsere Tour um kurz vor halb 12.
Nach der Tour gehe ich am Flughafen entlang. Im Flughafenterminal gibt es ein Restaurant und einen Lebebsmittelladen. Ich kaufe etwas zu trinken und ein Eis. Während ich das Eis esse, beobachte ich einen penetranten Austernfischer, der durch das Tor zum Restaurant geht. Nachdem er ein, zwei Mal vertrieben wurde, bekommt er von Gästen etwas zu Fressen in der Hoffnung, dann wäre Ruhe. Aber der Austernfischer kommt wieder.
Beim Süßwassersee ist nichts los, also ab zur Fähre. Unterwegs nochmal kurz die Glocke am Friedhof der Namenlosen läuten und dann ab aufs Boot.
Zurück auf Helgoland gehe ich zum Kochlöffel. Die deutsche Antwort auf Goldene Möwe und Bulettenmonarch ist eine echte Alternative zu den recht teuren Restaurants – vor allem mit den Gutscheinen, die es auf der Website gibt und die hier gelten.
Noch schnell im Falmmarkt etwas zu trinken gekauft und dann geht’s ab zum Lummenfelsen. Um 15 Uhr ist dort nämlich die nächste Führung des Vereins Jordsand. Namensgeber ist übrigens eine Hallig östlich von List auf Sylt, die man bei Gründung der Vereins 1907 kaufen und zu einem Naturschutzgebiet machen wollte. Das hat nicht geklappt. 2001 ist diese seit 1920 dänische Hallig untergegangen. Der Verein kaufte 1909 stattdessen die Hallig Norderoog in der heutigen Gemeinde Hooge.
Helgoland ist Brutgebiet von fünf Hochseevögeln, also Vögeln, die nur zum Brüten an Land kommen:
- Basstölpel
- Trottellumme
- Tordalk
- Dreizehenmöwe
- Eissturmvogel
Zu denen bekommen wir jetzt etwas erklärt. Früher gab es noch den Papageitaucher, aber der wurde im zweiten Weltkrieg hier ausgerottet, da das Oberland militärisch genutzt und seine Eier gegessen wurden. Papageitaucher brüten normalerweise nur dort, wo sie selbst geboren wurden. Somit braucht eine Wiederansiedelung viel Glück.
Am größten, am längsten hier (März bis Oktober) und auch jetzt in großer Zahl anwesend ist der Basstölpel. Gerüchte, der erst seit 1991 hier brütende Vogel würde die anderen verdrängen, sind falsch. Dazu besetzen sie zu unterschiedliche biologische Nischen. Nahrung und Brutplatz unterscheiden sich nämlich.
Der Basstölpel legt nur 1 Ei, ist seinem Partner auf ewig treu und benutzt immer dasselbe Nest. Möglich, dass die Zahl wieder abnimmt, denn die Vogelgrippe ist nicht mehr weit und von Basstölpel, Mantelmöwe, Heringsmöwe und Seeschwalbe weiß man, dass sie dafür anfällig sind. Neben unserem Startpunkt liegt auch tatsächlich ein Basstölpel, der daran gestorben ist. Ansonsten sterben sie wie gestern erwähnt auch, weil sie ihr Nest mit Netzen bauen, an denen sie sich strangulieren:
Basstölpel sind sehr gute Fischer, die in die Tiefe schnellen, und haben deshalb einen Vorteil hier im Schutzgebiet, wo die Menschen nicht fischen dürfen.
Ein zweiter Vogel, den man von hier beobachten kann, ist die Trottellumme. Unsere Führerin betont, dass es keine Pinguine seien. Die Trottellummen bauen kein Nest, aber ihr einziges Ei hat eine Form, dass es normalerweise nicht wegrollt. Sie können im Notfall ein Ei „nachlegen“. Es sind nur noch wenige Trottellummen da. Mit dem Supertele, das mein Kollege bei unserem Helgoland-Trip 2020 „Lange Anna“ genannt hat, mache ich ein paar verbliebene Trottellummen ausfindig, die die anderen mit dem Spektiv beobachten können, das unsere Führerin mitgebracht hat.
Sie erklärt – wobei sie die Vögel immer wieder als Viecher bezeichnet und sich dann darüber ärgert –, wie das mit dem Lummensprung funktioniert: Irgendwann können die Eltern die Nahrung, die ihr Küken benötigt, nicht mehr heranschaffen, was auch daran liegt, dass die Küken so weit oben auf dem Felsen sind, Trottellummen aber sehr schlecht fliegen können. Deshalb müssen die Lummen vom Felsen springen – anders als manchmal behauptet, werden sie aber nicht gestoßen sondern springen „freiwillig“. Das passiert am späten Abend, weil die Möwen dann schlafen. Hier auf Helgoland schlagen sie nach zig Metern oft auf dem Boden unterhalb der Klippen auf, was sie aber überleben. Dort unten ist am südlichen Teil der Westküste Helgolands auch eine Mauer, die sie nicht überqueren können, weshalb der Verein sie aufsammelt und über die Mauer trägt, nachdem sie beringt wurden. Großes Problem für den Verein ist, dass Lummen sehr schnell sind.
Tordalke sind im Prinzip wie die Lummen. Sie sind auch verwandt. Da Tordalke viel seltener sind (80 Tordalk-, aber 8.000 Trottellummen-Brutpaare) und zudem auch besser fliegen können, ist das Auffinden eines Tordalk-Jungen nach dem Sprung sehr selten. Tordalke legen ihr einziges Ei in einer Kuhle und können nachlegen, wenn das Ei verloren geht.
Dreizehenmöwen legen ein bis drei Eier. Sie können nur an der Oberfläche fischen, aber wegen der Erwärmung der Ozeane schwimmen Fische tiefer. An den Windrädern nördlich wurden Europäische Austern angesiedelt, um die einwanderte Pazifische Auster zu vertreiben.
Eissturmvögel, die man am Nordende der Insel gut beobachten kann (obgleich sie recht weit entfernt sind), drohen hier auszusterben. Sie sind eigentlich Aasfresser, fressen jetzt aber oft Plastikmüll aus dem Meer. Da sie den Müll auch verfüttern, ist ihr Bruterfolg sehr gering.
Die Tour ist jetzt vorbei, aber unsere Führerin Lena beantwortet noch ein paar Fragen zu ihr selbst.
Sie lebt in einer Dreier-WG ineinem Haus hinter der Feuerwehr (am Hafen). „Es ist von innen nicht so schlimm, wie es von außen aussieht“, fügt sie sofort hinzu. Es stört sie, dass sie immer noch nicht als Helgoländerin gesehen wird, obwohl sie seit Anfang September jetzt hier lebt und ihr FSJ macht, das noch bis Ende August geht.
In einer Abstimmung wurde bestimmt, dass der Schutz des Gebiets östlich des Flughafens aufgehoben wird, wo ich vorhin auch vorbeigegangen bin. Dort brüten Sandregenpfeifer. Sie sind sehr klein und ohne Schutz wird man sie vermutlich zertreten. Da man aber zu Tieren wie den Seehunden – die unsere Führerin manchmal „Dinger“ nennt – auf der Düne 30 Meter Abstand halten soll, bringt das Ergebnis der Abstimmung eh nicht so viel, meint sie. Der Verein Jordsand wird allgemein von vielen – meist älteren – Helgoländern kritisch gesehen, da er für diese unter weitere Naturschutzauflagen verantwortlich gemacht wird. „Dann bin ich mal gespannt, wie der durchschnittliche Helgoländer ohne Tourismus seinen Lebensunterhalt bestreitet“, meine ich.
Ich finde, wenn sie die Vögel als Viecher und die Meeressäuger als Dinger bezeichnet, dann soll sich unsere Führerin nicht beschweren, wenn ich die Trottellummen als Helgoland-Pinguine bezeichne. So!
Ich schaue mich noch ein bisschen auf dem Oberland um.
Jetzt aber ab zum Hafen. Vorher noch ein Eis kaufen und dann geht es auf den Rückweg. Der Katamaran ist diesmal mit knapp 90 Minuten etwas schneller, aber von seinen 75 Minuten laut Fahrplan immer noch etwas entfernt. Bei unserer Ankunft gibt es ein schweres Gewitter. Eine Frau so um die 30 macht Witze über den glatzköpfigen Mitarbeiter, der die Fahrgastbrücke zum Boot bringt: Wie scheiße sein Job sei und dass seine Haare ja nass würden – ach, er habe ja keine. Als sie von Bord geht, klopft sie ihm liebevoll auf die Schulter.
Zum Bahnhof fahre ich dann mit dem Shuttle-Bus der Fährfirma. Der ist zwar eigentlich für den Transfer zum Parkplatz, aber er hält auch beim Bahnhof, wenn man fragt.
Schön, mal Helgoland über Nacht gesehen zu haben. Eine Kollegin hat mal ein halbes Jahr im Atoll-Hotel gearbeitet. Im Oktober, wenn die Touristen nicht mehr kommen, beginnt da wohl das große Hamstern und die Winterdepression beginnt, erzählt sie. Man kriege Angst, festzustecken, denn die Fähren kommen nur noch wöchentlich. Dann stürzen sich nicht nur die Trottellummen von den Felsen. Die Vögel nur noch als Viecher und die Robben als Dinger zu bezeichnen ist da wohl das geringere Übel.
Mein nächstes Ziel ist dann nächste Woche Korfu. Der britische Autor und Zoologe Gerald Durrell verbrachte seine Jugend (im Alter von ca. 10 bis 14 Jahren) dort und schrieb über diese Zeit 1969 das autobiografische Buch Vögel, Viecher und Verwandte (dt. 1971). Man könnte glatt meinen, er wäre stattdessen auf Helgoland gewesen und hätte jeden Tag die Jordsand-Touren gemacht.
Kérkyra (Korfu) Tag 1 und 2: Kérkyra (Korfu), Paxós, Andípaxos, Paxós – Kein Glück im Zug von Osnabrück
Oder: Das ganz ganz große Unglück im Bus von Osnabrück. Und im Boot von Kérkyra.
Dieser Blogpost behandelt den 8. und 9. Juli 2022.
Nachdem bereits mein Kurztrip nach Portugal dazu beitragen sollte, auf eigene Faust das nachzuholen, was mir als organisierte Reise durch eine Absage verwehrt blieb, mache ich das gleiche jetzt mit Kérkyra. Die meisten kennen die Insel besser unter dem aus dem Albanischen abgeleiteten Namen, Korfu.
Wobei, gar nicht Kérkyra selbst, sondern Paxós und Andípaxos. Die beiden wären nämlich auch auf der Reise von Berge & Meer drangekommen, die ich für Mai 2021 gebucht hatte.
Hin geht es von Münster-Osnabrück. Die Erfahrung, schon mal dort abgeflogen zu sein, hilft. Denn eigentlich wollte ich von Osnabrück aus mit dem Bus dorthin fahren. Laut Bahn-App von Bussteig 1/1. Es gibt keinen Bussteig, der so heißt. Die Bussteige werden 1 bis 4 genannt, der Marker ist auf der Karte bei Bussteig 1. Dort fährt aber kein Bus um 16:13. Ich schaue mich um, auch dort keine Busse. Gut, kein Ding, letztes Mal bin ich – damals mit meinem jetzt Ex-Kollegen Jannik – von Lengerich aus mit dem Bus gefahren. Die RB66 dorthin geht um 16:19, passt also. Zumindest zeitlich – nur vom Platz her nicht, denn der Zug ist komplett voll und der Einstieg wird mir verwehrt. Dürfte daran liegen, dass die Bahn spontan keine Lust hatte, den vorherigen Takt auf derselben Strecke zu fahren (RE2). „Keine Kulanzleistungen wegen Überbelegung“ steht in der App. Eine Kulanzleistung wäre beispielsweise der IC in knapp 20 Minuten nach Münster, wo ebenfalls Busse fahren (oder fahren sollen, Münster ist schließlich auch im RVM). Das ist aber egal, denn der IC ist eine Dreiviertelstunde verspätet.
Also um 17:13 nochmal probieren ... und sehen, wie der Bus einfach am Burger King abbiegt und somit dem Theodor-Heuss-Platz mit den Bussteigen insgesamt vorbeifährt. Sehr gut. Eine Familie, die hier ebenfalls auf den Bus wartet, hatte sich zuvor noch bei einem Busfahrer den Bussteig bestätigen lassen.
Der Busverkehr im RVM ist also eine absolute Katastrophe. Immerhin passe ich diesmal gerade noch in die RB44. Weit kommen wir nicht, denn da war ja noch der IC und der muss erstmal überholen, was auch durchgesagt wird. Neben mir steht ein Mädel, das mich auf Englisch fragt, was durchgesagt wurde. Danach fragt sie mich, ob ich auch zum Flughafen möchte. Und ich frage sie, ob sie auch nach Korfu möchte. Ja, meint sie. Die zuvor genannte Familie fliegt übrigens erst 2 Stunden nach uns nach Malle, somit ist es nicht so schlimm, dass sie es nicht zum Zug geschafft haben. Dass sie über Lengerich fahren sollen, habe ich ihnen aber gesagt.
Wenn du denkst, es geht nicht mehr schlimmer, enttäuscht dich der RVM zumindest nicht dabei, dich selbst dann nochmal zu enttäuschen, wenn du es nicht mehr für möglich hältst. Theoretisch ginge vom Bahnhof Lengerich ein Bus zum Edeka, wo der Bus zum Flughafen fährt. Aber die Straße vorm einzigen Ausgang des Bahnhofs ist komplett aufgerissen. Ein Weg zum ZOB wenige Meter östlich vom Bahnhof existiert nicht. Also müssen Angra und ich zweieinhalb Kilometer zu Fuß laufen. Sie ist dankbar, dass ich ihr helfe, sich zurechtzufinden. Wir sind überrascht, dass außer uns niemand mitkommt – und sich gerade wir zwei in einem komplett vollen Zug getroffen haben. Viele Leute im Zug hatten auch zu großes Gepäck, um mal eben 2 Kilometer damit zu laufen. Für mich wäre das kein Problem – ich hab das ja in Indonesien trainiert. An dieser Stelle ein Gruß und ein Danke für Nichts an Marco-Polo-Reisen, die nach unserem Protest die Folgegruppe (aber keine der weiteren) jetzt an ein Hotel direkt am Anleger umgelegt haben.
Der Bus vom Edeka zum Flughafen fährt immerhin pünktlich. Wir sind knapp 70 Minuten vor Abflug an der Sicherheitskontrolle. Deutschland, 2022, Flughafen, Sicherheitskontrolle – da war doch was... Ja, aber nicht am Flughafen Münster. Da ist nicht viel los und es kontrolliert die Bundespolizei noch selbst. Als wir uns gerade angestellt haben, kommt eine Nachricht von Ryanair: letzter Aufruf. Kurz Flightradar24 gecheckt: Das Flugzeug ist noch nicht mal gelandet. Dass man kein Boarding zu einem Flugzeug machen kann, das noch in der Luft ist, sollte Ryanair als größte europäische Fluggesellschaft eigentlich wissen.
Die Sicherheitskontrolle stellt fest: Meine Zahnpastatube ist zu groß. Ärgerlicher Anfängerfehler.
Alle Leute sind dann aber 20 Minuten vor Abflug im Flugzeug (Boeing 737-8AS, EI-ENV
). 60 Minuten planmäßige Zeit am Boden sind für Ryanair-Verhältnisse auch echt großzügig, normal sind 35. Allerdings kommen wir 40 Minuten lang nicht los. Grund: Luftraumüberlastung. In Korfu sind wir trotzdem pünktlich. Immerhin.
Direkt bei meinem Hotel Atlantis gibt es sowohl einen Supermarkt, der bis 0 auf hat und bei dem ich Zahnpasta bekomme, als auch das Büro von Joy Cruises, mit denen ich morgen nach Paxós fahre.
Schlecht geschlafen. Bewertungen von Hotels in Korfu-Stadt sind nicht ohne Grund überwiegend schlecht. Und in Griechenland ist ein Hotel nur dann ein echtes griechisches Hotel, wenn du jede Feder der Matratze spüren kannst. Ist meines Wissens gesetzlich vorgeschrieben, erster Artikel der griechischen Verfassung:
— Die ersten Artikel der griechischen Verfassung nach meinem Kenntnisstand
- Ein Hotelgast muss jede Feder der Matratze fühlen können.
- Steuern zu zahlen ist nicht verpflichtend.
- Das Veröffentlichen von korrekten Fahrplänen für öffentliche Verkehrsmittel ist verboten. Mindeststrafmaß bei Zuwiderhandlungen: Todesstrafe. Bei Veröffentlichung von Fahrplänen oder dem Standort von Haltestelle auf Google Maps oder beim Benennen von Unterwegshalten verdoppelt sich das Strafmaß.
- Das Legen von Kabeln unter der Erde ist verboten.
- Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Da fühl ich mich gleich in meinen ersten Kreta-Urlaub zurückversetzt. ♥ Oder das Hotel in Patras auf dem Festland. 💩
Ab zu Joy Cruises. Macht natürlich nicht wie auf Google angegeben um 7 Uhr auf sondern um kurz nach halb 8. Nachdem ich die Azimut gefunden habe, fällt mir ein, dass ich immer noch den Schlüssel vom Hotel habe. In der verbleibenden Zeit bis zum Ablegen schaffe ich es aber noch zum Hotel und wieder zurück zum Schiff.
Anders als beworben kommt kein Tragflügelboot zum Einsatz sondern ein normales kleines Schiff mit dem Namen Azimut. Die Tragflügelboote (Fliegende Delfine) sollen 55 Minuten brauchen – die Azimut braucht 135. Danke für nichts. Aber halt auch absolut verfassungskonform.
Mein Hotel (Planet Water Rooms – der Name kommt daher, dass es zu einer Tauchschule gehört) finde ich nicht. Also anrufen. Die Frau ist freundlich und holt mich ab. Es stellt sich heraus: Das Hotel ist auf Booking.com, wo ich es gebucht habe, komplett falsch eingezeichnet und auf Google Maps auch nicht ganz richtig. Das Bett entspricht leider den Anforderungen der Verfassung.
Das 11-Uhr-Boot nach Andípaxos bekomme ich nicht. Auf dem Weg zum Hotel war es aber bereits um 10:45 komplett voll. Bis das nächste Boot kommt, kann ich mich immerhin umschauen. Auch in Bezug darauf, von wo aus man in der Blauen Stunde fotografieren kann. Und ich finde ... einen großen Schutthaufen – von dem man folgende Aussicht hat:
Gut, jetzt aber rüber nach Andípaxos. Die Badeboote fahren von der Hafenkante direkt beim Dorfplatz von Gáïos ab. Offizielle Abfahrten gibt es um 10, 11 und 12 Uhr – aber ihr wisst ja... Außerdem gibt es Bedarfsfahrten. Ich bekomme den letzten Platz auf der Bedarfsfahrt um 11:50. Badeboot funktioniert so: Man fährt einmal kurz beim Vríka-Strand vorbei, um sich beim folgenden Halt beim Voutoúmi-Strand entscheiden zu können, ob man da aussteigen möchte, oder wenn das Boot kurz darauf beim Vríka-Strand hält. Es gibt zwar einen Anleger am Voutoúmi-Strand, allerdings ist der so niedrig, dass er von Wellen überspült wird. Er befindet sich außerdem an einem Teil des Strandes, der vom Rest des Strandes (inkl. aller Wege) durch einen Felsen abgetrennt ist. An dem Felsen muss man vorbeigehen, wird dabei aber zwangsläufig von Wellen getroffen. Trockenen Fußes geht am besten vom Vríka-Strand. Ausflugsschiffe von Korfu aus halten niemals an den Anlegern (dafür sind sie auch zu groß) sondern nur in den Buchten der Strände zum Schwimmen. Die beiden zuvor genannte Strände sind bewirtschaftet. Zwischen ihnen gibt es einen wenig bekannten Strand names Mesovríka, der nicht bewirtschaftet wird.
Vom Voutoúmi-Strand aus führt eine Treppe hoch zum Bella-Vista-Restaurant. Es raschelt im Gebüsch. Die Paxí-Inseln sollen bekannt sein für ihre Schlangen. Daher bin ich erst besorgt, sehe dann aber, was hier raschelt: Hühner.
Das Bella-Vista-Restaurant hat geschlossen. Ein kleiner Waldpfad führt aber in ihm vorbei. Dann geht es auf der Straße weiter. Auf Andípaxos immer dabei: der herrliche Duft von Pinien und der nervige Lärm der Zikaden.
Ich folge der Wanderung 15 aus dem Michael Müller. Die Wegbeschreibung ist oft nicht nachvollziehbar und die Wanderung ist die einzige ohne Karte. Die Tatsache, dass auf Google Maps die Straßenkarte gegenüber der Satellitenkarte und der Wirklichkeit um ca. 50 Meter versetzt ist, tut ihr übriges. Nach Süden kommt man aber dann doch irgendwie. Dort ist ein Leuchtturm. Der Rückweg ist einfacher, denn die beiden Strände für die Rückfahrt sind überall ausgeschildert.
So, nun zum Vríka-Strand zur Abholung um 14:30 – der erstmöglichen des Tages.
Ein typischer Beach Boy mit Freundin und lauter Musik holt die Leute vom Vríka-Strand mit seinem Boot Mongonissi ab – pünktlich! Offenbar werden die Gäste vom Voutoúmi-Strand von einem anderen Boot abgeholt. Ich frage sicherheitshalber, ob das Boot nach Gáïos oder nach Mongonísi (im Süden von Paxós) fährt – ersteres. Wir fahren aber trotzdem durch den kleinen Sund, der zwischen Mongonísi und der vorgelagerten Insel Kaltsonísi liegt. Die Leute holen ihre Handys raus und fotografieren ein Gebäude auf Mongonísi. Wenn mich Leute fragen würden: Janni, wo hat das Märchen von Rapunzel gespielt? Ich würde sagen hier:
In Gáïos möchte ich mir ein Fahrrad leihen. Aber der Laden Fougaros (meines Wissens der einzige) bei der Bushaltestelle hat soeben um 15 Uhr geschlossen und soll um 18 Uhr nochmal aufmachen. Die WhatsApp-Nummer des Inhabers Stefanos hängt an der Tür. Ich schreibe ihm. Er komme um 17 Uhr wieder.
Anderthalb Stunden – da kann ich ja die einzige Wandertour aus meinem Wanderführer machen, die in Gáïos startet und endet. 7 Kilometer in ... 3 Stunden!? Und alpinistische Erfahrungen nötig. Alles klar, dann mach ich einen auf Scotty und mach’s in der Hälfte.
Die Google-Karte ist wieder komplett nutzlos, da mehrere größere Abschnitte der Route dort fehlen. OSM hilft hingegen sehr dabei, den Weg zu finden.
Ziel der Wanderung, die ich falschherum mache, ist der Tripitós-Bogen. Den erreiche ich nach etwa 30 Minuten.
Auf dem Rückweg der Sackgasse, die den letzten Abschnitt vom Weg zum Bogen bildet, begrüßt mich ein Typ in etwa meinem Alter und fragt nach dem Weg zum Bogen. Wir waren eben auf demselben Boot, meint er. Er komme aus San Francisco und mache jetzt seinen Urlaub hier. Wochenendtrip ist für ihn wohl nicht drin.
Noch schnell im Hotel vorbei und Pass geholt, falls man den für den Fahrradverleih braucht. Aber der hat immer noch geschlossen. Ich schreibe dem Anbieter. Er hat sich vertan, kommt aber gleich. 9–15 und 18–21 sind echt komische Öffnungszeiten. Ich frage, ob ich das Fahrrad morgen vor Öffnung des Ladens zurückbringen kann, da ich es heute bis etwa 22 Uhr fahren möchte. Stefanos meint er, er sei eh in der Gegend und ich soll ihm einfach vor 0 per WhatsApp schreiben, wenn ich das Fahrrad zurückgeben möchte. Na dann so.
Damit es sich für ihn auch lohnt, nehme ich statt des Fahrrads für 10 Euro ein Pedelec für 20 Euro. Los geht’s die Ostküste entlang nach Longós (auch Loggós transkribiert). Eigentlich will ich noch auf Megali Vigla, den höchsten Berg der Insel, der manchmal Megáli Vígla („große Wache“) heißt. Die Google-Karte ist allerdings so schlecht, dass ich in Plátanos (dort Fountana genannt) den Weg dorthin gar nicht erst finde. Daher mein Tipp für alle, die nach Paxí fahren: Deinstalliert Google Maps, damit ihr gar nicht erst in Versuchung geführt werdet, diesen Schwachsinn zu benutzen. Es steht über Paxí wirklich nur Blödsinn dort drin und ihr werdet euch garantiert verlaufen. Auf OSM ist alles richtig.
Stattdessen besuche ich dann zwei Kiesstrände, nämlich Kipiádi und Levrechió. Letzteren kann man von der schmalen einspurigen Zufahrtsstraße, an der es trotz der sehr geringen Länge regelmäßig zu Problemen mit Gegenverkehr kommt, gut überblicken.
Als ich unten beim Restaurant rechts im Bild wenden möchte, kommt es aber nicht nur zu Gegenverkehr mit Autos, sondern mit hunderten Leuten. Offenbar findet hier im Restaurant gleich eine britische Massenhochzeit statt, zu der die Paare und ihre Begleiter gerade den Hügel heruntergelaufen kommen. Alle Bräute im gleichen schlichten, grauen Kleid. Da muss man als Ehemann aufpassen, dass man sich nicht so sehr besäuft, dass man die Braut verwechselt.
Vom besagten Strand sind es nur wenige 100 Meter bis nach Longós.
Von Longós fahre ich weiter nach Norden nach Lákka. Die beiden genannten sind die anderen beiden nennenswerten Küstendörfer auf Paxós – mit riesigem Abstand bei der Einwohnerzahl nach hinter dem Hauptort Gáïos.
Einen guten Blick auf Lákka hat man aber nicht vom Ort selber sondern von der Landzunge Kanóni im Nordwesten.
Ebenfalls auf der Halbinsel Kanóni liegt der Leuchtturm von Lákka. Der wird offenbar inzwischen als Ferienwohnung vermietet und kann daher nicht besichtigt werden. Man kann ihn von außerhalb der Mauer um ihn herum fotografieren. Weiter geht es dann nach Magaziá. Dort befindet sich am Ende einer Stichstraße nach Westen das Restaurant Erimítis, von wo aus man einen Blick auf die gleichnamigen Klippen hat, während die Sonne versinkt. Man muss da nicht essen, sondern kann auch einfach etwas trinken. Das ist gut, denn ich will in einer halben Stunde weiter nach Gáïos.
So, jetzt aber ab nach Gáïos zur Blauen Stunde.
Bevor ich mich vom Aussichtspunkt zum Fahrradabgeben begebe, sage ich Stefanos bescheid. Aber das Büro ist auch so geöffnet, nur nicht von Stefanos aus sondern von zwei Frauen. Stefanos kommt aber auch noch dazu.
So, dann mal ab ins Bettchen. Will ja morgen die erste Fähre nach Kérkyra nehmen.
Kérkyra (Korfu) Tag 3: Paxós, Kérkyra (Korfu-Stadt) – Kein Glück im Boot nach Kérkyra
Ich sitz schon wieder dicht in ’nem Flieger
Eigentlich soll um 8:30 ein Boot von Joy Cruises nach Kérkyra (Korfu-Stadt) fahren. Es kommt aber nicht. Eine Frau ruft an. das Boot fällt wohl aus, das nächste fährt um 9:45. Dann kann ich ja noch ein Bild von Gáïos vom Aussichtspunkt machen.
Zu meinem Erstaunen wird ein Tragflächenboot eingesetzt. Das braucht dann tatsächlich ungefähr die versprochenen 55 Minuten (tatsächlich etwa 63). Dadurch sind wir ungefähr zu der Zeit da, wo auch ein normales Boot angekommen wäre, wenn es pünktlich um 8:30 abgefahren wäre.
In der Nähe des Hafens befinden sich die Boote, die zur Vído-Insel (wörtlich „Guidos Insel“ – statt dieses modernen französischen Namens wird auch der antike griechische Name Ptychía verwendet) fahren. Es gibt zwei konkurrierende Boote, die (außer bei der ersten und letzten Fahrt) stündlich fahren und schlicht als blaues und als rotes Boot bezeichnet werden. Das rote Boot ist um 10:45 abgefahren, also fahre ich mit dem blauen um 11:00. Wenn man vom Hafen kommt, sieht man zuerst den Stand des rotes Bootes in Form eines Schiffsbugs, in dem eine als Piratin verkleidete Verkäuferin sitzt (deren Hauptaufgabe es aber wohl eher ist, Karten für das „Piratenschiff“ Black Rose zu verkaufen). Das blaue Boot ist am Anleger und Karten werden auf dem Boot verkauft. Die Fahrt kostet hin und zurück zusammen 3 Euro. Vermutlich würde es keinem auffallen, wenn man mit dem jeweils anderen Boot zurückfährt, da zumindest auf dem blauen Boot auf der Rückfahrt keine Fahrscheine kontrolliert werden. Das blaue Boot fährt um :30 zurück, das rote um :00. Die Überfahrt zum Anleger im Süden dauert keine 10 Minuten.
Wenn man nicht baden oder länger im Restaurant Menios Taverna direkt am Anlieger bleiben möchte (oder im Pfadfinderlager im Norden zu Gast ist), hat man innerhalb von 1,5 Stunden auf der Vído-Insel auch alles gesehen. Kleiner Hinweis: Wer automatisches Roaming hat, sollte auf Vído und Nordostkorfu das Daten-Roaming ausmachen. Sonst ist man schnell im albanischen Netz und da kostet Roaming Geld. Bei meiner Telekom-SIM-Karte der Firma ist es so eingestellt, dass ich außerhalb des EWR ausschließlich Internet-Pakete buchen kann – eine gute Lösung, wie ich finde.
Während nahe am Anleger recht viel bebaut ist, ist der Rest der Insel eher natürlich belassen. Gelegentlich begegnen einem Kaninchen, Graugänse, Fasane – oder die Mülleimer-Armada des ausgefeilten Mülltrennungssystems „Vido 2021“ mit sage und schreibe sieben Kategorien: Papier, Plastik, Glas, Metall, PET, Bio und Restmüll. Und weil sieben Kategorien nicht genug ist, haben Leute neben den Mülleimern noch einen zusätzlichen Haufen für PET-Flaschendeckel angelegt. Da staunt man selbst in Deutschland.
Im Nordwesten der Insel gibt es die Schulenburg-Festung (nach Matthias Johann von der Schulenburg). Direkt nordöstlich davon ist der Maïstros-Strand (teilweise als Tramountana-Strand vermarktet). Eine (wohl britische) Frau spricht mich auf dem Weg zwischen den beiden an. Sie hat sich verlaufen. Ich erkläre ihr den Weg zurück.
An der Südostküste dominiert das Mausoleum für die serbischen Soldaten, die während des Ersten Weltkriegs hierhin geflohen und größtenteils an Krankheiten gestorben sind. Das 1936 errichtete Gebäude, das in einen Hang hinein gebaut wurde und daher wie eine freistehende Mauer erscheint, wirkt moderner als es ist.
So, schon kurz nach halb 13. Flieger geht um 15:55, also so langsam zum Flughafen gehen. Übrigens das erste Mal, dass ich auf auf einer Flugreise nicht ein einziges motorisiertes Landfahrzeug benutze, abgesehen vom Pedelec. Auf dem Weg liegen einige Sehenswürdigkeiten. Eigentlich wollte ich noch nach Kanóni, aber ich bin mir nicht sicher, ob man von Kanóni auf Höhe von Mon Repos zum Flughafen laufen kann.
Direkt auf dem Weg liegt aber die Neue (Venezianische) Festung. Kostet nichts. Ich will auch nicht rein, sondern nur auf dem Weg von der Altstadt-Seite (Ostseite) nach oben ein Foto von der Altstadt machen.
So, weiter geht’s. Ich kaufe mir ein Eis und renne, da ich in die falsche Straße abgebogen bin, mit dem Eis einmal durch die Ágios-Spyrídon-Kirche. Auf der anderen Seite ist nämlich die richtige Straße, von der es am Banknoten-Museum der Ionischen Bank (kostet nichts) vorbei über den Iróon-Kupriakoú-Agóna-Platz zum Liston geht.
Der Liston ist mir zu nobel, also weiter am Wasser entlang zur Windmühle.
An der Windmühle sind mir zu viele Leute, um sie einzeln zu fotografieren. Also weiter, vorbei an Mon Repos. Gegenüber ist – von der Straße gut und kostenlos einsehbar – die Paleópolis (wörtlich: Altstadt) mit der Ruine der frühchristlichen Basilika, die Bischof Jovian im 5. Jahrhundert errichten ließ.
Und nun zur Preisfrage, kann man von Mon Repos einfach westwärts am Artemis-Tempel vorbei direkt zum Flughafen laufen? Ein Typ in einem Auto, das mir entgegen kommt, hält an und fragt mich, ob ich zum Flughafen will. Als ich das bejahe sagt der Mann, dass das gehe. Stimmt auch, man muss aber vom Friedhof aus sich geradeaus westlich bewegen, auf dem Fußweg ein kurzes Stück nach links gehen, eine schmale steile Treppe hoch, dann über ein Geländer klettern und steht danach mitten auf der Ringstraße um den Flughafenparkplatz.
Vorm Terminal ist ein Café. Es hat keinen Eigennamen und ist auch wirklich nicht gut und dafür ziemlich teuer – und trotzdem komplett voll.
Sicherheitskontrolle ist in Sachen Geschwindigkeit im Mittelfeld, aber kein Grund zur Sorge.
Im Easyjet sollen wir uns schnell hinsetzen – der Flieger sei ausgebucht. Als keine Passagiere mehr ins Flugzeug kommen, ist vor und neben mir (ich habe 10F) sehr viel frei: 7E bis 10E. Schön, denn die Bestuhlung scheint dichter zu sein als bei Ryanair – oder wie Julian Sommer singen würde: „Ich sitz schon wieder dicht in ’nem Flieger“ – und das obwohl ich nüchtern bin.
Nach einigem Warten – auch dass endlich die zweite Person für den Pushback am Flugzeug ankommt – geht es dann los nach Berlin. Zeit reicht aus, um mit dem 9-Euro-Ticket die letzte Verbindung nach Hause zu nehmen. Alle fünf Züge sind pünktlich. Der Zug von Magdeburg nach Braunschweig, wo ich nur 8 Minuten Umsteigezeit habe, ist trotz Warnung einer hoher Auslastung in der App eher leer. Internet ist auch recht brauchbar und ich kann etwas arbeiten.
So, jetzt fehlt noch die Buchempfehlung: Mir gefielen die Bücher der kretischen Informatikerin Klio Verigou ganz gut. Die gibt es im Bruckmann-Verlag als Zeit für das Beste sowie vom ADAC. Letzteres ist für Korfu, erstes für die ionischen Inseln. Die Reihe Zeit für das Beste ist meist sehr günstig digital erhältlich.
9-Euro-Ticket Breminale 2022
(keine Zusammenfassung)
Ein paar Zufallsfotos vom Samstagabend, 16. Juli 2022, auf der Breminale.
9-Euro-Ticket Fehmarn (II) – Déjà-vu
Nachholeffekt
Dieser Beitrag behandelt den 24. Juli 2022.
Die Coronaregeln sind schon lustig gerade. Ich hatte/habe engen Kontakt mit zwei Corona-Infizierten, laut gestern (Sonnabend) gemachter Antigentests. Es gibt jetzt aber weder konsequent PCR-Tests für Infizierte noch Quarantäne für enge Kontakte. Ist auch nicht schlimm. Eltern sagen ihren Kindern immer, wenn man sich etwas ganz fest vornimmt, kann man es schaffen. Ich habe mir daher am Anfang der Pandemie fest vorgenommen, kein Corona zu kriegen – bisher trotz etlicher Reisen mit Erfolg, wie regelmäßige Tests bestätigen (mit dem Watmind-Test, den in meiner Analyse vom 11. Januar sensitivsten Laientest). Aufgrund meiner persönlichen Anti-Corona-Strategie konnte ich 2021 auch nicht verstehen, warum mich das Gesundheitsamt vom 4. bis zum 16. März in Quarantäne gesteckt hat. Jetzt sind zwar wieder exakt dieselben Kontaktpersonen erkrankt – ich aber natürlich nicht. Immerhin muss ich diesmal nicht wieder sinnlos in Quarantäne. Also ab nach Fehmarn!
Bei meinem letzten Besuch habe ich zwar viel vom Teil östlich der Vogelfluglinie gesehen, aber im Westen fehlen mir noch so einige Ecken: Nordküste, Westküste und Orth. Bei Sunny Bike leihe ich mir wieder spontan ein Fahrrad. Das ist auch überhaupt kein Problem. Dann geht es einmal gegen den Uhrzeigersinn die genannten Strecken entlang.
Marienleuchte
Der erste Stopp liegt aber östlich der Vogelfluglinie: Marienleuchte. Der Weg dorthin führt an der Baustelle für den Fehmarnbelttunnel vorbei. Da wird auch am heutigen Sonntag gearbeitet. Muss ja fertig werden das Ding.
Die Fähren, die immer noch fahren, kann man auch vom Strand von Marienleuchte beobachten, meinem ersten Halt. Dennoch ist der Strand eher unspektakulär. Ich interessiere mich für die Schwanenfamilie. Meine Eltern meinen, ich hatte als Kind ein Erlebnis mit einem Schwan auf Fehmarn, der mich von hinten gebissen hat.
NSG Grüner Brink
Der Grüne Brink ist eines von vier Naturschutzgebieten auf der Insel. Die Wallnau war letztes Mal dran, heute außerdem noch die Nördliche Seeniederung etwas weiter westlich. Das vierte Naturschutzgebiet im Bunde, Krummsteert-Sulsdorfer Wiek, ist nicht zugänglich – Fotos gibt’s aber trotzdem nachher.
Im Nordwesten begegnen einem sehr oft Schafe. Und damit die nicht lang laufen, wo sie wollen, gibt es viele selbstschließende Pforten. Ist für Fahrradfahrer etwas blöd, aber da kann man nichts machen. Wer aber den für die Öffentlichkeit freigegebenen Teil des Naturschutzgebiets besucht, findet ein hübsches Heidegebiet. Direkt an der Küste. Das überrascht mich sehr.
Niobe-Denkmal
Direkt westlich des Grünen Brinks am Gammendorfer Strand steht das Niobe-Denkmal. Die Niobe, benannt nach einer Figur der griechischen Mythologie, war ein Segelschulschiff der Reichsmarine, das 1913 vom Stapel lief und am 26. Juli 1932 (übermorgen vor 90 Jahren) vor Fehmarn in einer unvorhergesehenen Gewitterbö sank. 69 Menschen starben, 40 wurden gerettet.
NSG Nördliche Seeniederung Fehmarn
Fährt man durch das Ahoi Camp (was man glaube ich nicht darf, man muss wohl am Strand vorbei, aber das ist mit dem Fahrrad schwer, zumal der im Folgenden beschriebene Weg eine Sackgasse ist), erreicht man eine hölzerne Aussichtsplattform. Von dort hat man Blick
Vor der Plattform stehen zwei Holzbänke. „FREIHET!“ und „MEHR ♥ FÜR ALLE“ hat jemand auf die Bänke gekritzelt. Ich kaufe ein ‚I‘ und möchte lösen.
Da es wie gesagt eine Sackgasse ist, muss ich durch das Ahoi Camp zurück. Erst in diese Richtung sehe ich ein Schild, dass man eigentlich nicht als Besucher durch das Ahoi Camp fahren darf. Wären wir bei meinem ersten Besuch mit der Firma auf die Insel gekommen, hätte ich vorgeschlagen, im Ahoi Camp zu zeltenm, weil das eine schöne Lage und den besten Preis (11 Euro) hatte zu dem Zeitpunkt.
Ich fahre weiter zum Westermarkelsdorfer Leuchtturm. Wobei, eigentlich sind es zwei. Ein alter von 1881 (heutige Höhe seit 1902) und ein neuer aus dem Herbst 2020.
An dieser Stelle muss man aufpassen, denn immer wieder ist der Weg blockiert. Wodurch? Durch die hier:
Die Schafe sie blöken nicht nur an der Nordseeküste wie blöd auf dem Deich – an der Ostseeküste ist es kaum besser.
Ostseestöpsel
Leuchtturm ist ein gutes Stichwort. Es geht nun auch schnell weiter zum nächsten Leuchtturm, nur ist der im äußersten Südwesten, während ich gerade noch im äußersten Norden Fehmarns bin. Dazwischen liegt die Wallnau, die letztes Mal schon dran war, und noch die folgende ulkige Sehenswürdigkeit:
Jimi-Hendrix-Gedenkstein
Ach ja, und eine der bekanntesten Wehenswürdigkeiten liegt hier auch. Oder steht. Nämlich der Gedenkstein für Jimi Hendrix, der am 6. September auf dem Love-and-Peace-Festival auf Fehmarn sein letztes Konzert spielte, bevor er durch übermäßigen Drogenkonsum am 18. September in London ins Gras biss.
Leuchtturm Flügge
Der Leuchtturm Flügge kann besucht werden – „nur mit Eintrittskarte und Anmeldung“ klingt kompliziert. Ist aber ganz einfach: Zur Kasse des kleinen Cafés gehen, 3 Euro bezahlen und die 162 Stufen raufgehen und dann die schöne Aussicht bezahlen.
Ich bin mir unsicher, warum die Kamera so rebelliert. Vielleicht sind es die vielen Schwalben, die ständig durchs Bild fliegen.
Orther Hafen
Auf dem Rückweg mache ich noch kurz Halt am Orther Hafen.
Dann geht es zurück zur Fahrradrückgabe (56 Kilometer heute). Ich beeile mich. Grund ist nicht nur, dass ich den Zug um 17:23 kriegen möchte, sondern auch, dass schon wieder ein komischer Wind weht, dem ich nicht traue. Andere haben es nicht so eilig:
Heute fährt der Zug um 17:23 nach Hamburg durch. Er ist bereits in Fehmarn recht gut gefüllt, ab Scharbeutz richtig voll und ab Timmendorfer Strand (eine Station weiter) platzt er aus allen Nähten. Wie gut, dass Corona endlich vorbei ist!
Verspätung gibt es trotz der vielen Leute nicht und ich kann in Hamburg sogar einen Zug früher nehmen, den mir die Bahn-App wegen nur 4 Minuten Umsteigezeit nicht vorschlägt. Bringt aber nicht so viel, da der Takt eine Stunde davor eine knappe Stunde Verspätung hat. Da der jetzt effektiv Leute für zwei Züge einsammelt, wird die Verspätung immer größer und wir schleichen hinter ihm her.
Nächste Woche: Sylt. Der RE 60 von Hamburg nach Sylt dürfte übrigens der Regionalzug mit der längsten Strecke ohne Halt sein, rund zwei Drittel seines Zuglaufs: 1:35 Stunden fährt er im Normalfall von Altona nach Husum, wobei es in Gegenrichtung einen Sondertakt vormittags gibt, der ohne Halt von Heide nach Hamburg Hbf fährt.
9-Euro-Ticket Sylt Tag 1 und 2 – Alles Schlechte kommt vom Festland
Und seit Anfang Juni insbesondere Tagesgäste.
Dieser Beitrag behandelt den 30. und 31. Juli 2022.
„In einem sind sich viele Sylter einig: ‚Alles schlechte kommt vom Festland: Füchse, Ratten, Gewitter und Kopfschmerzen.‘“
— 111 Orte auf Sylt, die man gesehen haben muss (2015), Kapitel 64
Und jetzt kommen auch noch Tagesgäste mit dem 9-Euro-Ticket. (Falls das nicht schon mit Kopfschmerzen abgehandelt ist.)
Die touristische Bedeutung der Anreise mit dem Zug erschließt sich bereits durch die Existenz von RE 60: Die 3 Zugpaare pro Tag stellen die meines Wissens mit Abstand längste Regionalzugverbindung ohne Halt. Die beiden touristisch bedeutsamen Zugpaare (vormittags hin und spätnachmittags zurück) fahren nämlich 1:35 Stunden nonstop zwischen ihrem Endpunkt Altona und Husum (158 Kilometer). Das Zugpaar mit den entgegengesetzten Zeiten hält statt in Altona in Hamburg Hbf und Heide, wofür es ebenfalls etwa 1:35 Stunden braucht und nicht hält. Intercitys halten in dem Abschnitt in Itzehoe (ich denke mal zum Lokwechsel) und Dammtor.
Da ich morgens hin fahre, muss ich also erstmal nach Altona kommen. Kein Problem mit der S-Bahn, die fährt ja alle paar Minuten vom Hbf dorthin. Ich bin überrascht, dass sich die Menschen an diesem Kopfbahnhof sehr gleichmäßig auf die gesamte Zuglänge verteilt haben. Es muss keiner stehen, aber einige Fahrgäste aus meinem Waggon verlassen diesen, weil eine Biene darin ist.
In Niebüll steige ich aus und checke bei der Insel-Pension ein, die eigentlich ein Hotel ist. Da war vor ein paar Tagen ein Restplatz für nur diese eine Nacht frei für 79 Euro mit Frühstück. Das fand ich okay.
Nach dem Einchecken fahre auch ich dann nach Westerland. Dort herrscht größere Polizeipräsenz am Bahnhof und drum herum. Ob das am 9-Euro-Ticket oder am derzeit stattfindenden Musikfestival liegt? Es ist aber sehr friedlich. Direkt am Gleis neben dem Bahnhof befindet sich der M+M-Fahrradverleih. Nachdem ich gestern kurz vor 18 fünf Fahrradverleihe angerufen und mir jeweils Absage abgeholt habe, habe ich eine Online-Reservierung bei M+M gemacht. Ich bin sehr überrascht und erfreut, dass das problemlos geklappt hat. Obwohl ich keinen Fahrradkorb gebucht habe und es auf Sylt üblich ist, 50 Cent pro Leihe für einen zu verlangen, bekomme ich ein Fahrrad mit Fahrradkorb (weil diese fest installiert sind) und auf Nachfrage sogar noch ein Gummispannseil dazu.
Formalitäten sind geklärt, dann kann’s los gehen zur Inselrundfahrt.
Ich habe mich spontan dazu entschieden, heute nicht nur den Norden zu machen, sondern zuerst den Osten und dann auf dem Rückweg vom Norden schauen, wie viel man schafft. Das Wetter morgen soll richtig schlecht sein, daher kann man den im Vergleich zum Norden von Westerland weniger weit entfernten Süden bei einem weiteren Tagesausflug machen.
Vorher aber kurz die Fußgängerzone anschauen. Punks? Ich sehe nur eine 5-köpfige Gruppe, die sich gerade ein paar Brötchen beim Edeka gekauft haben und jetzt wieder von der Fußgängerzone weggehen.
Nach einem Besuch beim Hotel Stadt Hamburg, das irgendwie nicht so hübsch aussieht wie im Buch, fahre ich zum Rantum-Becken. Das sorgt in detailgetreuen Sylt-Aufklebern für dieses Loch ziemlich in der Mitte
Weiter östlich in Archsum zeigt die Gentrifizierung ihre Früchte. Anders als in Westerland, wo man vereinzelt Kleinwagen findet, finde ich jetzt und den ganzen Tag über draußen auf dem Land ausschließlich SUVs und Sportwagen. Würde ich hier meinen kleinen e-up! abstellen, wären morgen die Seitenspiegel abgetreten, da bin ich mir sicher.
Gut, weiter zum Morsum-Kliff. Da kann man nicht ganz mit dem Fahrrad hinfahren, sondern muss ein Stück zu Fuß laufen. Am Himmel spielt sich erstaunliches ab:
Es wird erzählt dort seien Insektenschwärme. Kann gut sein, denn auch ich werde ständig von Insekten bekrabbelt. Das Schauspiel ist den ganzen Tag über immer wieder zu beobachten.
Nachdem ich die Waldeidechsen vorhin durch mein Fotografierne am Ende doch verscheucht hatte, sind jetzt auf meinem Rückweg vom Kliff wieder neue Waldeidechsen auf dem Bohlenweg.
Keitum
In den Büchern, die ich gelesen habe, waren zwar einige Orte drin, die ich nicht in meine Liste eingetragen habe, aber ich komme trotzdem an ihnen vorbei. Ein Beispiel ist das Großsteingrab Harhoog in Keitum.
Der Harhoog war nicht immer hier, sondern wurde 1954 hierher verlegt, als der Flughafen erweitert wurde.
In Keitum wollte ich eigentlich den Lost Place Keitum-Therme besuchen. Das ist eine Investitionsruine. 2005 sollte ein Schwimmbad gebaut werden, 2008 gab es einen Baustopp. Nachdem sich die Gemeinde 2010 aus dem Projekt zurückgezogen hat, gab es einen Rechtsstreit, infolge dessen die Ruine aber nicht abgerissen werden durfte. Seit Veröffentlichung des E-Books 111 Orte 2015 ist die Ruine aber nun doch abgerissen und das Gebiet renaturiert wurden. Alles in allem wurden 19,8 Mio. Euro ausgegeben für folgendes Endergebnis:
Braderup
Weiter nach Braderup. Google Maps möchte trotz Fahrrad-Einstellung mehrfach, dass ich reine Fuß- und Reitwege verwende. Der Sand auf den Wegen ist oft so fein, dass man da mit dem Fahrrad nicht mal fahren könnte, wenn man es wollte. Und da, wo er es nicht ist, ist nicht mal genug Platz, um das Fahrrad zu schieben.
Das Wrack der Mariann, das ich mir am Strand ansehen möchte, ist leider wegen des Wasserstandes nicht sichtbar. Bleibt nur die Heide.
List auf Sylt
Ich fahre nach List. Das ist eine ganze Ecke entfernt. Unterwegs wollte ich mir noch ein paar Dinge ansehen, die ich dann aber nicht fotografiere: Ich finde keinen guten Standort, von dem ich die Kupferkanne fotografieren kann. Das ist eine Art Bunker, umgebaut zum Restaurant. Auch die Waterküken kann ich nicht fotografieren. Das mit 160.000 Euro pro Quadratmeter teuerste Haus der Welt ist inzwischen von Erdwällen umgeben, dass man es nicht sinnvoll fotografieren kann. Der Klenderhof ist auch von der Straße nicht zu sehen.
Auf dem Radfernweg gibt es mitteldrin eine Ampel, mit der man die Listlandstraße überquert. Ich spreche mit einem Hamburger Studentenpärchen, das mich gerade überholt hat und jetzt mit mir auf grün wartet. Er studiert Städtebau oder so, und ist überrascht, dass sich die FDP nicht mehr für den Radverkehr einsetzt, da man durch vermehrte Bewegung der Bevölkerung Gesundheitskosten und damit Krankenkassenbeiträge senken könnte.
Mitten in List stellen wir fest, dass wir beide zur Eismanufaktur wollen – da aber schon dran vorbeigefahren sind. Ich drehe um, die anderen beiden wollen jetzt aber lieber ein Fischbrötchen kaufen.
Das Eis bei der Eismanufaktur Sylt schmeckt deutlich weniger intensiv als das meiste andere. Als ich auf der Wiese gegenüber sitze, kommen die anderen beiden wieder. Fischbrötchen gab’s nur bei Gösch und das war ihnen zu kommerziell meinen sie. Ich fahre weiter, daher trennen sich unsere Wege. Sie wollen auch bereits um 20:19 zurück. Es ist jetzt schon halb 18.
In List besuche ich:
Lister Ellenbogen
Der nördliche Teil von Sylt (Sylter Ellenbogen, auch Listland) ist Privateigentum, weil der dänische König (Christian IV.) dieses Land 1608 zwei Sylter Familien überlassen hat (denen das nicht viel bringt, weil es seit 1925 unter Naturschutz steht und nicht weiter bebaut werden darf), die es nach dem Stavenrecht weitervererbt haben. Autos müssen Maut bezahlen, Fahrradfahrer kommen kostenlos rein.
Als ich um kurz nach 20 beim nördlichsten Punkt Deutschland bin, ist dann die Sonne auch weg. Untergegangen ist sie noch nicht, das ist erst um halb 22, aber es sind Wolken da.
Anmerkung: Der nördlichste Land-Punkt Deutschlands, wenn man die Ausschließliche Wirtschaftszone hinzuzählt, ist übrigens seit 2013 das Windrad mit der Nummer 22 (von 80) im Windpark DanTysk. Inzwischen dürften Windräder des Windparks Sandbank 24 noch nördlicher stehen.
Ein Pärchen – Anfang 20 schätze ich – ist auch da. Sie haben Campingsachen dabei. Ich glaube, sie wollen hier wildcampen.
Gut, dann fahre ich mal langsam Richtung Süden. Die Blaue Stunde ist in anderthalb Stunden und die höchste Erhebung Sylts, die Uwe-Düne, ist noch eine Ecke entfernt.
Kampen
Kurz vor der Uwe-Düne sehe ich in einiger Entfernung den Leuchtturm Quermarkenfeuer Rotes Kliff. Der sieht interessant aus. Also Uwe-Düne gekonnt ignoriert und ab dorthin:
Die Uwe-Düne besuche ich trotzdem, aber die Aussicht ist enttäuschend, zumindest jetzt in der Blauen Stunde. Also gut, dass ich den Leuchtturm fotografiert habe, den finde ich nämlich wirklich schön bei dem Licht.
Den ganzen Tag außer dem Eis nichts gegessen – mal gucken, ob die Kebab-Piraten in der Fußgängerzone noch offen haben, obwohl sie eigentlich vor einer Minute schließen müssten. Der Laden ist aber noch voll. Vor mir bestellen ein Mädel und ein Typ (so Anfang 20 würde ich schätzen) einen Dürüm-Döner (das Mädel mit wenig Zwiebeln) und fragen, ob das mit dem Zug um 23:19 was wird. Der Dönermann bejaht die Frage. Dann nehme ich auch was, aber nur einen Döner. 7,50 Euro – jetzt weiß ich, woher das „Piraten“ im Namen kommt.
Mein Fahrrad stelle ich am Bahnhof an den Fahrradständer, und das, obwohl es nur ein einfaches Radschloss am Hinterrad hat. Aber ich habe eine Diebstahlversicherung und der Verleih selber lässt seine Fahrräder auch nachts draußen stehen. Noch ein paar Bilder für die Versicherung gemacht und ab in den Zug.
Das Mädel und der Typ aus dem Dönerladen stehen ebenfalls draußen vorm Zug und essen mit mir ihren Döner. Das Mädel ist etwas angepisst, dass ihr Dürüm praktisch nur aus Fleisch und viel Zwiebeln besteht. Der Typ meint: „Das ist der seltsamste Döner, den ich je gegessen habe, aber gut“.
Nach 93 Kilometer Fahrrad heute – neuer persönlicher Rekord – fahre ich dann die letzten Kilometer zum Hotel mit dem Zug.
Nächster Tag. Die Sonne lacht ins Hotelzimmer. Frühstücksauswahl ist klein aber fein.
Auch bei der Fahrt nach Sylt lacht die Sonne zunächst, aber bereits bei Fahrt auf den Hindenburgdamm wird es dunkel. Leider ist auf meinen recht umfangreichen Liste der 61 Sehenswürdigkeiten, die ich besuchen möchte, nur eine Indoor-Sehenswürdigkeit, aber die ist immerhin direkt in Westerland. Also das Fahrrad geholt und zur katholischen St.-Christophorus-Kirche gefahren. Dabei noch über die rund hundert Meter lange Schlange vor der Bäckerei Abeling gelacht. Die kriegen’s da wohl einfach nicht gebacken.
Aber zurück zur Kirche. Was macht eine katholische Kirche auf Sylt? Im Deutsch-Dänischen Krieg 1864/65 kämpften Preußen und Österreich gemeinsam gegen Dänemark, so auch der Österreicher Wenzel Wohner. Er verliebte sich in ein Sylter Mädchen, doch eine Entbehrung schien ihm zu groß: Keine katholische Kirche auf Sylt. Unterstützung vom Bischof gab’s auch keine, da sonst mehr Katholiken dem frevelhaften Baden nachgehen würden. Also wurde die Kirche 1895/96 aus Spenden nur für diesen einen Österreich errichtet. Aber die lokale Presse war erfreut, dass es für manche Leute jetzt ein Hindernis wenige gebe, nach Sylt zu fahren.
Die Kirche wurde 1957 durch ein neue am heutigen Standort ersetzt (am alten befindet sich jetzt ein Park, nachdem die Kirche 1959 abgerissen wurde), die wegen Materialmängeln 1997 abgerissen und durch die heutige postmoderne Kirche ersetzt, die 1999 eingeweiht wurde.
Danach ab zum Fahrradverleih. Die Schlange vor der Bäckerei ist in der Zeit auch nicht wirklich kürzer geworden. Mit dem RE 60 geht es um 9:49 direkt nach Hamburg Hbf
In Niebüll überholen wir den IC nach Koblenz, der dort wegen einer Türstörung liegen geblieben ist. Da der RE 60 zwischen Niebüll und Hamburg ohnehin schneller ist als der IC, wäre es eigentlich für die Leute sinnvoll gewesen, in den RE einzusteigen, zumal er nicht voll ist. Aber es gibt recht viele Leute, die am IC stehen bleiben. Aus 20 Minuten Verspätung bei unserer Einfahrt (die da aber schon längst abgelaufen waren) werden erst 40, dann 70 und dann fällt der IC aus. Dumm gelaufen für alle, die eben nicht umgestiegen sind, denn bis zum späten Nachmittag fahren jetzt nur noch Bimmelbahnen und die auch nur bis Altona.
Problem in Hamburg: Nicht nur der eben erwähnte IC nach Bremen ist ausgefallen, sondern auch die letzte RB 41 dorthin. Deshalb ist der RE 4 nach Bremen, mit dem ich jetzt fahren möchte, völlig überfüllt. „Willkommen bei unserer kuscheligen Fahrt nach Bremen“, schallt es aus den Lautsprechern. Gott sei Dank ist Corona jetzt vorbei!
Kritiker würden sagen, das läge nur am 9-Euro-Ticket und nicht an den zwei ausgefallenen Zügen, und das Ticket sollte nicht verlängert werden. Ich kapiere auch nicht, warum sich die EVG über die angebliche Belastung ihrer Mitarbeiter durch das 9-Euro-Ticket ausheult – ich wurde ab dem 31. Mai genau zweimal kontrolliert, nämlich im RE 9 nach Bremenhaven und der EVB nach Cuxhaven, beides morgens am 2. Juli (insbesondere wurde ich im Fernverkehr zum und vom Frankfurter Flughafen nicht kontrolliert). Wie repräsentativ das ist? Schauen wir mal, wie viel ich so mit Bus und Bahn gefahren bin (und mit dem 9-Euro-Ticket gespart habe):
Günstigstes anderes Ticket laut Bahn-App | Günstigstes mir bekanntes anderes Ticket | |||||
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Strecke | Ticket | Preis | Strecke | Ticket | Preis | |
25.06.2022 | Rotenburg(Wümme) -> Fehmarn-Burg | QdL | 42,00 € | Rotenburg(Wümme) -> Klecken | Spar-Ticket | 6,00 € |
Klecken -> Fehmarn-Burg | SH-Ticket | 28,00 € | ||||
26.06.2022 | Fehmarn-Burg -> Rotenburg(Wümme) | QdL | 42,00 € | Fehmarn-Burg -> Klecken | SH-Ticket | 28,00 € |
Klecken -> Rotenburg(Wümme) | Spar-Ticket | 6,00 € | ||||
84,00 € | 68,00 € |
Günstigstes anderes Ticket laut Bahn-App | Günstigstes mir bekanntes anderes Ticket | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
Strecke | Ticket | Preis | Strecke | Ticket | Preis | |
02.07.2022 | Verden(Aller) -> Cuxhaven | NI-Ticket | 24,00 € | Verden(Aller) -> Bremerhaven | VBN ET PSH | 13,30 € |
Bremerhaven -> Cuxhaven | Spar-Ticket | 6,00 € | ||||
03.07.2022 | Cuxhaven -> Verden(Aller) | NI-Ticket | 24,00 € | Cuxhaven -> Verden(Aller) | Spar-Ticket | 6,00 € |
Bremerhaven Cuxhaven | VBN Nacht | 9,90 € | ||||
08.07.2022 | Verden(Aller) -> Ibbenbüren | NI-Ticket | 24,00 € | Verden(Aller) -> Lemförde | VBN ET PSH | 13,30 € |
Lemförde -> Hasbergen | Spar-Ticket | 6,00 € | ||||
Ibbenbüren -> FMO, Greven | WT ET 4M | 7,90 € | Hasbergen -> Lengerich(Westf) | WT ET 2M | 4,20 € | |
Lengerich(Westf) -> FMO, Greven | WT ET 3M | 5,70 € | ||||
10.07.2022 | BER T1/2 -> Verden(Aller) | QdL | 42,00 € | BER T1/2 -> Verden(Aller) | QdL | 42,00 € |
13.07.2022 | Verden(Aller) -> Domsheide | VBN ET PSE | 7,15 € | Verden(Aller) -> Domsheide | VBN 4er PSE | 25,60 € |
Bremen Hbf -> Verden(Aller) | VBN ET PSE | 7,15 € | Bremen Hbf -> Verden(Aller) | |||
14.07.2022 | Verden(Aller) -> Domsheide | VBN ET PSE | 7,15 € | Verden(Aller) -> Domsheide | ||
Herdentor -> Verden(Aller) | VBN ET PSE | 7,15 € | Herdentor -> Verden(Aller) | |||
16.07.2022 | Verden(Aller) -> Herdentor | VBN ET PSE | 7,15 € | Verden(Aller) -> Herdentor | VBN Nacht | 9,90 € |
Herdentor -> Verden(Aller) | VBN ET PSE | 7,15 € | Herdentor -> Verden(Aller) | |||
17.07.2022 | Verden(Aller) -> Schüsselkorb | VBN ET PSE | 7,15 € | Verden(Aller) -> Schüsselkorb | VBN ET PSE | 7,15 € |
Bremen Hbf -> Verden(Aller) | VBN ET PSE | 7,15 € | Bremen Hbf -> Verden(Aller) | VBN ET PSE | 7,15 € | |
25.06.2022 | Rotenburg(Wümme) -> Fehmarn-Burg | QdL | 42,00 € | Rotenburg(Wümme) -> Klecken | Spar-Ticket | 6,00 € |
Klecken -> Fehmarn-Burg | SH-Ticket | 28,00 € | ||||
Fehmarn-Burg -> Rotenburg(Wümme) | Fehmarn-Burg -> Klecken | SH-Ticket | ||||
Klecken -> Rotenburg(Wümme) | Spar-Ticket | 6,00 € | ||||
30.07.2022 | Rotenburg(Wümme) -> Westerland | QdL | 42,00 € | Rotenburg(Wümme) -> Klecken | Spar-Ticket | 6,00 € |
Klecken -> Westerland | SH-Ticket | 28,00 € | ||||
Westerland -> Niebüll | Westerland -> Niebüll | |||||
31.07.2022 | Niebüll -> Westerland | QdL | 42,00 € | Niebüll -> Westerland | SH-Ticket | 28,00 € |
Westerland -> Rotenburg(Wümme) | Westerland -> Klecken | |||||
Klecken -> Rotenburg(Wümme) | Spar-Ticket | 6,00 € | ||||
305,10 € | 264,20 € |
Damit hätten wir gezeigt, dass sich das 9-Euro-Ticket für mich sehr gelohnt hat. Und dass die Preisanzeige in der Bahn-App unbrauchbar ist, da fast immer zu teuer. Wenn es die Bahn noch nicht mal schafft, eine App zu entwickeln, mit der man den günstigsten Preis für eine Strecke herausfinden kann, brauchen wir echt ein einfacheres System. Die Bahn-App scheitert zudem meistens am Westfalentarif und meint dann, man bräuchte die teuerste Kategorie 7 (14 Euro).
Von einem Nachfolger erwarte ich eher eine kurze Laufzeit als einen extrem günstigen Preis. 365 Euro pro Jahr sind für mich weniger reizvoll als ein Ticket für – sagen wir – maximal 69 Euro pro Monat aber mit Mindestvertragslaufzeit von maximal 3 Monaten. Aktuell wird auch ein Nord-Ticket diskutiert, was für mich reichen würde. Dann sollte aber Niedersachsen im Umfang des Niedersachsentarifs drin sein und nicht nur das Bundesland.
9-Euro-Ticket Sylt (II) – Noch mehr Schlechtes kommt vom Festland
...denn ich bin nochmal da.
Dieser Beitrag behandelt den 6. August 2022.
Wetterbericht sagt 13 Stunden Sonne. Also kann man ja nochmal für einen Tag nach Sylt fahren. Der Zug ist genau so voll wie letztes Mal – es kriegt knapp jeder einen Sitzplatz.
Diesmal empfangen keine Polizisten den Zug in Westerland bei seiner pünktlichen Ankunft. Mein Rad habe ich nicht vorbestellt, passt aber trotzdem.
Rantum (1)
Heute ist der Süden dran. Ich fahre nicht direkt, sondern über den Deich des Rantum-Beckens. Dabei gibt’s einige Tropfen von oben.
Rantum (2)
Es ist die ersten zwei Stunden bis auf den Moment oben stark bewölkt. Ich bekomme noch ein weiteres Mal ein paar Tropfen ab, diesmal etwas mehr. Dadurch fahre ich erstmal nach Süden und will mir alles unterwegs auf dem Rückweg ansehen, wenn hoffentlich die Sonne scheint. In Hörnum bleibt noch Zeit, etwas zu trinken zu kaufen und ein Eis. Sölring Iskrem soll gut sein. Eine Schlange von 10 Personen vor dem Laden scheint das zu bestätigen, aber es handelt sich auch um eine Bäckerei und ich weiß seit meinem letzten Besuch auf Sylt, was das heißt.
Ich schaue mir vor allem den Süden von Hörnum an.
Dort gibt es neben dem Leuchtturm einen dichten Wald direkt am Meer, der aber nicht sehr hoch gewachsen ist.
Vom Waldweg führt ein Bohlenweg zum Strand. Als ich gerade ein Foto vom Leuchtturm mache – man darf dort außerhalb von Führungen, die lange im Voraus ausgebucht sind, nicht hin –, kommt ein Mann so um die 50 vorbei und zeigt mir seinen Oberarm: Er hat das Ding tätowiert! Es nimmt fast seinen gesamten Oberarm ein.
Ich besuche den Strand von Hörnum-Odde. Hier sieht man zwei Inseln. Welche? Dabei hilft die RALF-Regel – rechts Amrum, links Föhr. Am Strand sieht man keine Nacktbadenden, sondern nur Besucher (würde ich meinen), wohl da es recht kalt ist heute (maximal 18 Grad).
Als ich gerade los fahre, fängt es an zu regnen.
Ich besuche die St.-Thomas-Kirche in Hörnum. Von innen ist die nicht sehr spektakulär, aber die Architektur von außen ist interessant:
Ich möchte den Aussichtspunkt Kressen-Jacobs-Tal besuchen. Der liegt am Ende eines Bohlenwegs. Vor dem Bohlenweg steht ein Schild, dass man vor dem Bohlenweg keine Fahrräder abstellen soll. Okay, dann fahr ich halt mit dem Fahrrad auf dem Bohlenweg zum Strand, wenn denen das lieber ist.
Ich fahre nicht den gleichen Weg zurück wie hin, da ich hin den Radweg an der Straße gefahren bin und dabei gesehen habe, dass auch ein Schotter-Radweg an der Ostküste endlang führt.
Ich besuche noch den Aussichtspunkt bei der Jugendherberge und den Strand beim Bunkerhügel. Ein Schild erklärt das dicke Rohr, das aus dem Meer kommt, mit Sandaufspülungen, die hier stattfinden, damit Sylt nicht schrumpt. Jemand – vermutlich die Reddit-Gruppe r/sylt51, die sich ebenfalls dieses Wochenende ausgesucht hat und von denen sich wohl auch jemand als Einhorn verkleidet hat – hat einen Aufkleber auf das Schild geklebt und ihn zusätzlich mit schwarzem Panzertape gesichert: „Nett hier. Aber waren Sie schon mal für 9€ auf Sylt?“ – Ja, war ich. Zwei mal. Bei dem Spruch auf dem Aufkleber, der im ersten Post zu Sylt dargestellt ist, handelt es sich übrigens um eine Parodie von Aufklebern mit Werbung für Baden-Württemberg (Parodie haben die mit ihrem neuen Spruch aber auch nicht mehr nötig). Die ursprünglichen Aufkleber der Reddit-Gruppe hatten auch deren ovales Design kopiert.
Rantum (2)
In Rantum besuche ich den Hafen. Dort liegen tausende Ziegelsteine herum. Sie sind die Reste der Gebäude, die für das Neue Kurzentrum an der Promenade von Westerland abgerissen wurden, und in den 60ern und 70ern für eine Befestigung der Mole hierher gebracht wurden. Auf einer Landzunge haben Leuchte kleine Gebäudegrundrisse und Türme daraus gestapelt.
Zurück in Westerland
„Die haben Ihnen sogar die 50 Cent für den Korb abgezogen?“, fragt der Mitarbeiter bei der Rückgabe des Fahrrads (nach 55 Kilometern Fahrt laut Google Maps). Er sieht das alles nicht so eng. Ein Pärchen möchte gerade ein Tandem ausleihen, aber weil er keine Lust hat, einen Vertrag aufzusetzen, dürfen die es einfach mitnehmen. Sie sollen es nur bis 9 zurückgeben, inoffiziell sei der Laden aber schon ab 6 auf und man könne den Schlüssel auch in die Box werfen. Hätte ich das gewusst, hätte ich mich nicht so beeilen müssen. Na ja, nun ist es zu spät. Ach ja spät, mein Zug ist auch zu spät. Ein IC ist in Husum liegengeblieben, höre ich. Das kommt mir bekannt vor. Dann kann ich ja noch einen Döner bei Aladdin holen, direkt gegenüber vom Bahnhof.
Da wir zusätzlich noch auf dem Hindenburgdamm rumschleichen, kann ich immerhin in Ruhe Fotos aus dem Fenster machen. Die sind nämlich heute mal sauber und auch das Wetter ist erstmals bei einer Überfahrt schön.
Die Verspätungen werden größer, wir halten noch aus Spaß in Elmshorn zum Ein- und Aussteigen. Die S-Bahn, die ich erreiche, ist leider 2 Minuten zu spät in Hamburg Hbf für den letzten Zug von hier nach Bremen. Ich kaufe mir eine Asia-Nudelbox. Nachdem ich auf der Treppe zurück zum Bahnsteig kurz stehengeblieben bin, um etwas davon zu essen, trete ich ins Leere und überdehne meinen rechten Fuß.
Der nächste Zug nach Bremen fährt erst ab Harburg. Die dafür vorgesehen Zubringer-S-Bahn ist jedoch so voll, dass sie erst zum Zeitpunkt der Abfahrt ankommt (7 Minuten zu spät). Dann fährt der Zug auch noch von Gleis 5 und nicht wie sonst von Gleis 3, das am Ende der Treppe zur S-Bahn ist. Der Zug wartet natürlich nicht auf den Zubringer und fährt pünktlich und wahrscheinlich praktisch leer nach Bremen, denn es fehlen die geschätzt 200 Leute, die kurz darauf frustriert am Bahnsteig sitzen.
Der nächste Takt wartet hingegen 4 Minuten auf die verspätete S-Bahn und ist damit gerappelt voll.
In Rotenburg, wo ich aussteigen möchte, ist gerade das eintätige Elektro-Festival Ferdinands Feld auf dem Flugplatz zuende gegangen. Der Bahnsteig ist komplett voll. Die Leute haben noch nichts davon gehört, dass man zuerst aussteigen und dann einsteigen soll, und überrennen die Leute wie mich, die drinnen stehen.
Mein Fuß ist bei Ankunft am Bahnhof so sehr angeschwollen, dass ich ihn in meinen Schuhen nicht mehr bewegen kann und barfuß nach Hause fahren muss. Bis 3 Uhr wird es immer schlimmer. Pellworm, wo ich morgen hin wollte, kann ich mir abschminken. Erst ab 18 Uhr kann ich Sonntag wieder einigermaßen laufen.
9-Euro-Ticket Vilm – Vilmreif auf der Suche nach Lauterbach
Honeckers Ferienresidenz oder der älteste Urwald Norddeutschlands? Und was hat unser Gesundheitsminister damit zu tun?
Dieser Beitrag behandelt den 13. August 2022.
Karl Lauterbach macht sich auf Twitter zum Affen.
Erst ist da das neue Infektionsschutzgesetz, das von (1.) Oktober bis Ostern gelten soll und das er auf einem Plakat mit Winterreifen verglich. Und wenn die Inzidenz nach oben geht, dann müsse man Schneeketten aufziehen. Jetzt fragt man sich natürlich als Bewohner des norddeutschen Tieflandes: Wenn ich Ganzjahresreifen habe, muss ich dann auch ganzjährig Maske tragen? Und was sind Schneeketten?
Auf Bild HD hat er mal die Ungeimpften mit Nichtschwimmern verglichen, die nicht ins Schwimmerbecken dürften. Nur eins vergleicht er aus unerfindlichen Gründen nicht: Corona und Grippe.
Und dann hat er auch noch getwittert, dass er Corona hat und sich trotz vierfacher Impfung ein bestimmtes verschreibungspflichtiges Medikament eingeworfen hat. In Deutschland besteht Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente. Sollte man als Arzt eigentlich wissen, findet Twitter.
Sollte man ihm vielleicht sagen. Also mal in der Bahn-App Lauterbach eingegeben und los geht’s!
Vilm-reif nach Lauterbach
(Der) Vilm [fɪlm] (von slawisch ilumu – Ulme/Ulmenhain, daher Maskulinum) ist eine Insel vor Rügen. Sie ist im Volksmund als Honeckers Ferienresidenz bekannt. Was es damit auf sich hat, möchte ich heute herausfinden.
Die Insel liegt im Biosphärenreservat Ost-Rügen und das Betreten ist reglementiert. Die Fahrgastreederei Lenz hat die Erlaubnis, bis zu 60 Personen pro Tag vom kleinen Ort Lauterbach rüberzubringen und eine Führung zu machen (auf eigene Faust darf man Vilm nicht besuchen). Das ist täglich um 10:00, und bei entsprechend Andrang auch um 13:30. Ich hatte mich letzten Freitag für die zweite Fahrt angemeldet. Eigentlich gehe das nicht, wurde mir am Telefon gesagt, da man die erste füllt und dann die zweite aufmacht, wenn die erste voll ist, aber für mich machen sie eine Ausnahme. (Am Ende sind beide Exkursionen heute ausgebucht, also kein Problem.)
Der RE 1 von Hamburg nach Rostock ist proppevoll. Außerdem muss der Zugführer an jedem Halt bis Schwerin außer Hagenow Land die Leute ermahnen, nicht in den Türen zu stehen. Wir sind in Rostock 9 Minuten zu spät. Der RE 9 nach Sassnitz ist zum Glück ebenfalls 9 Minuten zu spät. Da er auf dem Weg auf 25 Minuten erhöht, bekomme ich in Bergen auf Rügen den Anschlusszug nach Lauterbach nicht. Das Taxisystem ist auch überlastet, da trotz An-/Abreisetag kaum Taxis unterwegs seien. Eine Taxifahrerin überredet einen Taxifahrer, der eigentlich eine (ihm offenbar bekannte) Familie aus einem anderen Zug nach Baabe transportieren wird, mich in Lauterbach rauszulassen. Der ICE der Familie hat ebenfalls Verspätung, aber nur 10 Minuten, sodass er um 13:13 ankommt. Ich rufe bei der Firma Lenz an, ob sie 5 oder 10 Minuten warten können. 5 ja, meinen sie. Ich frage den Taxifahrer, ob er das hinkriegt. Ja sagt er. Na dann.
Der ICE verspätet sich nicht weiter und um 13:32 bin ich dann 25 Euro ärmer, dafür aber in Lauterbach an der Mole und auf der Julchen. Ich werde namentlich begrüßt und bedanke mich. „Bedanken Sie sich bei der Fahrgästen“, meint Kapitän Lenz.
Die „Julchen‘ ist ein seltsames Boot. Die meisten Passagiere stehen während der kurzen Überfahrt am Heck an Deck, das erstaunlich niedrig ist.
Vilm
An der Hafeneinfahrt erwarten uns Kormorane und diverse Möwen. Zu denen kommen wir später.
Am Hafen steht ein Schild, das den Rundweg und ein bisschen was zur Geschichte erklärt.
Der Vilm besteht aus drei Teilen, die in der Weichseleiszeit (der letzten Eiszeit bis ca. 15.000 v.Chr.) entstanden sind: Großer Vilm, Kleiner Film und der Mittelvilm dazwischen. Heute betreten darf man nur den Großen Vilm. Insgesamt ist die Insel 0,94 km² groß – Rügen als größte deutsche Insel mit 926 km² fast tausendmal so groß.
Zur Zeit der DDR gab es hier zunächst regen Besucherverkehr, über 500 Gäste pro Tag. Das war auch für das Naturschutzgebiet nicht so toll und so suchte man nach Möglichkeiten, den Besucherstrom zu begrenzen. 1959 erreichte man aus diesen Gründen hier das Ferienheim des Ministerrats der DDR. Wer in Politik richtig gut aufgepasst hat, wird jetzt den Begriff Honeckers Ferienresidenz in Frage stellen, denn Honecker war nie Minister sondern Staatsrat. Also hat er kurzerhand seine Frau zur Ministerin gemacht und konnte sie dann begleiten – drei Mal. Für Staatsräte wurde damals das Kliffhotel auf Rügen errichtet.
Die Häuser wurden auf landwirtschaftlicher Fläche errichtet, sodass kein Baum gefällt wurde. Architektonisch entschied man sich zudem für den Stil Rügenscher Fischerhäuser und stattete sie modern mit Blitzableitern und elektrischer Heizung aus. Es gibt eine Süß- und eine Meerwasserlöschanlage.
Die Solaranlage, die nahe des Anlegers (Kargenufer) steht, ist erst 2002 errichtet worden. Bei inzwischen strahlender August-Mittagssonne liefert sie 16,5 kW. „40% der benötigen Leistung der hier heute befindlichen Naturschutz-Akadamie. Am Wochenende, wenn keiner da ist“, meint der Kapitän.
Streng bewacht wurde die Insel erst, als es eine Auseinandersetzung zwischen einem Segler und einem Minister gegeben haben soll.
In den Wirren der Wende waren erneut hunderte Touristen am Tag hier, um Honeckers Ferienresidenz zu sehen – und wurden enttäuscht. Seit dem 6. Oktober 1990 ist hier die Internationale Naturschutzakadamie, eine Außenstelle des Bundesamtes für Naturschutz.
Wenn man durch die Siedlung geht, werden die ersten zwei Häuser rechts (erkennbar an den blauen Fenstern) von der Naturschutz-Akademie als Verwaltungs- und Diensthäuser genutzt, ebenso das Haus mit Veranda als Tagungsraum, während die anderen ihren Gästen als Unterkunft dienen. Ständige Bewohner gibt es nicht, die 68 Mitarbeiter kommen morgens mit dem Boot und fahren abends mit dem Boot wieder nach Hause. Jetzt aber auch nicht mehr, denn sie machen seit Corona Home-Office. Einzige treue Mitarbeiter des Bundesamtes für Naturschutz sind die Schafe, die hier das Grasland pflegen.
So, das war’s auch schon zum Thema DDR-Zeit in diesem Post. Er nicht auf Natur steht, kann jetzt aufhören zu lesen.
Heute ist Vilm an richtiger Urwald. Das liegt daran, dass der letzte Holzeinschlag schon 1527 war, als die Witwe von Waldemar II. zu Putbus (so heißt der Ort zwischen Lauterbach und Bergen) das Recht zum Holzschlag an Stralsunder Kaufleute verkaufte. 60 Bäume sollten stehen bleiben. Die Insel war Ende des 17. Jahrhunderts wieder dicht bewaldet, bemerkten die dann herrschenden Schweden.
Ein paar Bäume mussten dann in den 1970ern dann doch für eine große Antennenanlage gefällt werden, Gerüchten zufolge für das Westfernsehen. Dabei wurde ein Seeadlerpaar vertrieben, das auf der Insel brütete. Die Antenne wurde 1990 entfernt und seit 1996 brüten auch die Adler wieder hier.
65 Vogelarten brüten hier, 40 davon auf dem Kleinen und Mittel-Vilm. 48 Schnecken und 500 Pflanzenart gibt es hier. Wenn man sich überlegt, dass es auf der viel größeren Insel Rügen nur 600 Pflanzenarten gibt, dann ist das beeindruckend. An Schlagen gibt es die Glatt- und die Ringelnatter.
Bäume sind übrigens schlau: Wenn sie Äste abwerfen, da sie ihnen nicht mehr nutzen, versiegeln sie die Stelle erst, damit keine Viecher und Pilze eindringen können.
Dieses Jahr ist der Große Haken nicht so groß. Er ist mehr eine Sandbank, da die Verbindung zur Insel Vilm (links vom Bildausschnitt) überflutet ist, aber eigentlich trocken fallen müsste. Übrigens: Wer den fliegenden weißen Vogel in der Bildmitte identifizieren kann, bitte melden. Kapitän Lenz hat ihn noch nie gesehen, meint er, und vermutet, es könnte Blut sein.
Auf dem restlichen kurzen Weg zum Anleger laufen wir durch einen Buchenwald, der auch überall sonst in Deutschland sein könnte.
Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er und 1930er hat die Insel Vilm über 300 Maler beeinflusst. Bekannte Werke sind die Landschaft mit Regenbogen (ca. 1810) von Caspar David Friedrich und Erinnerung an eine bewaldete Insel der Ostsee (Eichen am Meer) (1834/35) von Karl Gustav Carus.
Bevor die Maler da waren, war Film zweimal eine Kapelleninsel. Nachdem aber ein Schiff mit 60 Frauen in der Nähe untergegangen ist, hatte es sich auch mit der zweiten Kapelle erledigt. Heute steht nur ein Kreuz auf dem Karkenberg („Kirchenberg“) und erinnert an die beiden Kapellen.
Wir durchqueren noch das Gehöft. Der Stall ist das einzige Gebäude, das bereits vor der Zeit als Ferienheim stand. Er wurde beim letzten bekannten Feuer auf der Insel 1936 zerstört und 1945 wieder aufgebaut.
Gegen 16:15 geht es dann wieder rüber nach Lauterbach. Anders als bei der Hinfahrt ist jetzt die Sonne da, sodass man besser fotografieren kann.
Fazit: Von der Natur her schön, aber historisch hätte ich mir deutlich mehr versprochen. Die Exkursion wird auf dem Boot allerdings auch als deutscher Urwald beworben. Das passt.
Wieder in Lauterbach frage ich, warum auf so vielen Boote im Hafen Vilm steht. Das komme von der Jachtwerft Vilm Yachts seines Vaters da drüben, meint der Kapitän, die Jachten mit diesem Modellnamen baut. Dann will ich noch wissen, woher der Name des Ortes kommt. Das sei wohl der Geburtsname einer der Frau der Familie von Putbus gewesen. Man würde aber jetzt darüber nachdenken, den Ort umzubenennen. „Ich hab mich schon gewundert, warum auf einem Boot in Lauterbach keine Maskenpflicht ist“, meine ich. Das findet der Kapitän nicht witzig. Okay, ich glaube, es ist Zeit zu gehen.
Ich schaue mich noch ein bisschen im Ort Lauterbach um, bevor ich nah Hause fahre. Der Bahnhof im Ort Lauterbach ist ein Bedarfshalt. Ich winke, dann passt das.
In Putbus treffen wir den Rasenden Roland, der ebenfalls von der Pressnitztalbahn (Rügensche BäderBahn) betrieben wird. Der besitzt auch einen offenen Wagen, der sich großer Beliebtheit erfreut. Dürfte am 9-Euro-Ticket liegen, denn es gibt Nachverkehrsmittel, die im jeweiligen Landesticket oder sogar dem Landestarif nicht enthalten sind. Neben dem Rasenden Roland sind das z.B. alle Busse auf den nordfriesischen Inseln, wobei es im SH-Tarif einen Sondertarif gibt, der Sylt enthält. Der Zug, in dem ich sitze, ist hingegen im MV-Ticket enthalten. Es handelt sich um einen ganz normalen Nahverkehrszug.
Der RE 9 nach Rostock wird vor dem Gegenzug nach Binz angekündigt, fährt aber erst ein, als letzterer schon einige Minuten weg ist. In Rostock sind wir etwa 10 Minuten zu spät. Macht nichts, denn der RE nach Hamburg wartet ein bisschen und dann behält seine 10 Minuten Verspätung bis Hamburg bei. Dort habe ich planmäßig eine Stunde aufenthalt, den ich nutze, um ein Bild von der Elphi zu machen. Es ist aber etwas zu dunkel für die echte blaue Stunde und das Ponton, von dem ich fotografiere, schwankt teilweise etwas. Macht nichts – kann man ja die Tage nochmal abends in der Woche besuchen.
9-Euro-Ticket Pellworm und Büsum: Der 9-Euro-Sommer geht zuende
Das Wetter auf Pellworm ist noch unberechenbarer als auf Sylt. Und das Büsumer Hochhaus erstaunlich hässlich.
Dieser Beitrag behandelt den 14. August 2022.
Heute steht der letzte Teil des des 9-Euro-Sommers an: Pellworm.
Die Fahrt dorthin ist problemlos. Der Bus R140 ist am Bahnhof Husum aber drei Minuten zu früh abgefahren. Dies ist einer der Busse, die nicht im SH-Ticket drin sind, aber im 9-Euro-Ticket, denn das gilt überall, wo ein Bus in öffentlichem Auftrag fährt.
Die Fähre nach Pellworm kostet hin und zurück zusammen 14 Euro. Sie legt etwa zweieinhalb Kilometer vom Ort (Tammensiel) entfernt am Tiewasseranleger an. Ein Elektrobus des Fährunternehmens bringt einen kostenlos zum Kurzentrum, wo auch die etwa 75-minütige Inselrundfahrt mit demselben Bus startet. Da die 12 Euro kostet, müssen da aber auch die aussteigen, die sie machen wollen. Ich mache mir meine Inselrundfahrt aber selber – mit dem Fahrrad. Der Fahrradverleih ist gleich nebenan.
Anders als die meisten anderen Fahrradverleihe hat Momme von Holdt keine relativ neue Einheitsflotte sondern ein wahllos zusammengewürfeltes Sortiment unterschiedlich alter Fahrräder. Ob er auch nur ein Fahrradmodell doppelt hat? Ich glaube nicht. Und das trotz riesigem Angebot (der ganze Garten steht voll), durch das Spontanbuchungen gar kein Problem sind. Ein Tag kostet 9 Euro. Wer nur für einen Tag da ist, sollte das sagen, da dann Papierkram abgekürzt wird.
Eine Frau kommt zurück und reklamiert ihr Rad. Die Gangschaltung funktioniere nicht. Sie hätte jetzt schon ganz fest gedrückt und es passiere einfach nichts. Sie zeigt auf die Beschriftung (Pfeil hoch, Pfeil runter). Und auf diese Pfeile der Beschriftung hat sie gedrückt. Ich muss laut lachen. Die Frau findet das nicht lustig. Der Fahrradverleiher erklärt ihr, dass sie den Griff drehen muss.
Als ich am Deich entlangfahre, huscht ein Tier in den nahen Bach. Für ein Kaninchen zu klein, für vieles andere zu groß. Auch die aquatische Lebensweise spricht für eine Nutria (Biberratte). Ich fahre zur Vogelkoje (ein Euphemismus für Stockenten-Falle), einem See im einzigen nennswerten Wald der Insel. Die Vogelkoje ist jedoch für den Seeadler zum Schutzgebiet erklärt worden und kann nicht betreten werden.
Nächster Halt ist das Momme-Nissen-Haus. Es ist ein aufgegebener Bauernhof, der 1978 zu einer katholischen Kapelle St. Petrus gewirdmet wurde. Sie finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Auffällig ist die Geschichte zur verheerenden Flut von 1634, die die 14 Kirchenfenster erzählen: Am 11./12. Oktober brach der Deich von Alt-Nordstrand an mehr als vierzig Stellen und 6.000 Menschen ertranken. Wo die Namensgeber der dabei untergegangenen Kirchen bekannt waren, wurden sie in sieben der Fensterbilder eingearbeitet. Eine detaillierte Erklärung liegt in der Kapelle aus.
Ich mache mich auf den Weg zur schwarzen Windmühle, der Nordermühle. An der Straße dorthin, dem Nordermitteldeich, stehen etliche kleine Häuser, die ich sehr schön finde. Hier ein Beispiel:
Die Windmühle ist heute eine Ferienwohnung und als solche buchbar. Vor der Windmühle steht eine „Post- und Brötchen-Box“. Sehr dekadent.
Weiter geht es dann zu dem Wahrzeichen Pellworms, der Alten Kirche. Ehrlich gesagt trägt der triste Himmel recht gut zur Atmosphäre bei.
Der um 1200 errichtete Kirchturm ist mit 26 Metern heute noch etwa halb so hoch wie früher. Wegen Gefahr von Steinschlag ist der Bereich um ihn eingezäunt. Man glaubt es zwar von weitem nicht, aber die Alte Kirche wird tatsächlich als Kirche genutzt, wobei das Kirchenschiff, das heute nicht mehr mit dem Turm verbunden ist, gut erhalten ist.
Ich bekomme Panik, den Bus (um 17:15 – das ist in 40 Minuten) zur letzten Fähre nicht zu kriegen, auch wegen des sehr starken Gegenwindes. Dadurch fällt der Leuchtturm und die Neue Kirche, die sogar auf meinem Weg liegt, leider aus. Letztendlich komme ich aber 13 Minuten vor Abfahrt des Busses zum Tierwasserhafen beim Fahrradverleih an, der direkt neben der Bushaltestelle ist.
In Nordstrand am Anleger erzählt uns der Busfahrer vorm Bus, dass er schon den ganzen Tag mit kaputter Klimaanlage fährt. Dann wird es philosophisch und er fragt, warum Leute in den Urlaub fliegen, während ihre Kinder demonstrieren. (Dürfte daran liegen, dass es gegenüber Ländern wie Indien oder China eigentlich keinen Unterschied machen, was wir machen.)
Von Husum fahre ich nach Heide und von dort weiter nach Büsum. Es geht nicht so richtig in meine Birne, dass Husum und Büsum doch recht weiter auseinanderliegen. Niebüll und Klanxbüll liegen nebeneinander und Morsum und Keitum auch.
Mein Aufenthalt in Büsum beträgt nur gut eine Stunde. Der Zug von Heide nach Büsum ist in der App mit einem roten Hinweis auf hohe Auslastung versehen. Die Nordbahn hat zudem zusätzliche Busse bestellt. Im Zug sitzen vier Leute, bei einem Bedarfshalt unterwegs steigt ein fünfter Fahrgast zu.
Rechts vom Bildausschnitt steht übrigens ein unfassbar hässliches Hochhaus von 85 Metern Höhe. Das 1972 errichtete 22-stöckige Gebäude hat keinen Namen und beherbergt 196 Eigentumswohnungen. Es ist das höchste Gebäude an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste, um ein Vielfaches höher als der Leuchtturm. Und um ein Vielfaches hässlicher.
Der Leuchtturm, wegen dem ich eigentlich hier bin und der sich beim Bild oben etwa 50 Meter hinter mir befindet, ist hingegen sehr langweilig. Er wird auch nicht beleuchtet. Beleuchtet wird nur das Lighthouse Hotel, das sich aber nicht im Leuchtturm befindet sondern daneben an der Strandpromenade.
Das Bild vom Watt war den Abstecher nach Büsum auf jeden Fall wert – und dass ich erst um 1:52 in Rotenburg sein werden und damit erst um 2:20 im Bett. Aber da der Metronom zuverlässig unzuverlässig ist, fährt der vorherige Takt mit so großer Verspätung, dass ich ihn locker noch bekomme und daher 40 Minuten früher zu Hause bin.
Das war es dann für den 9-Euro-Sommer im eigentlichen Sinne. Am Ende des Monats kommt noch ein Bericht zur Gamescom, wo aber nur die Rückfahrt mit dem Ticket ist. Da kommt dann auch die Ersparnis als Zusammenfassung. Eventuell fahre ich aber in der Woche abends mal nach Hamburg, Bremen und/oder Hannover.
„Kérkyra (Korfu) II“ Nicht im Flieger
Wie kann man erfolgreich unten bleiben? Und was macht eigentlich blaues Licht?
Dieser Beitrag behandelt den 20. August 2022.
Ende März hatte ich für den heutigen Sonnabend einen Flug nach Korfu gebucht. Nach der abgesagten Segelkreuzfahrt im Mai 2021 wollte ich da eh hin. (Meine Korfu-Reise in Juli habe ich erst später gebucht, als ich für diese Reise zu viel Programm hatte.) Der Tag heute war bei Corendon der günstigste Flugpreis im ganzen Jahr - 79,99 -, die Zeit aber unmenschlich. Gut, egal.
Die Fahrt zum Flughafen ist noch so OK. Im Hannoveraner Hauptbahnhof läuft wieder allerhand Gesocks rum. Ein Typ bettelt Leute an, aber zu mir sagt er nur: „Blaues Licht.“ „Was macht es?“, frage ich, aber da ist der Typ schon weiter. Die S-Bahn zum Flughafen ist eine Viertelstunde zu spät. Der Typ von eben bettelt immer noch und quatscht mich noch einmal mit „Blaues Licht“ an...
Am Flughafen erwartet mich bereits auf Höhe der Goldenen Möwe (das ist zwischen den Terminals A und B) eine Schlange. Kurz geschaut: Leute mit Koffern, kann also nicht die Sicherheitskontrolle sein, sondern ist der Check-in von Eurowings in Terminal A. Die Schlange zur Sicherheitskontrolle geht noch einigermaßen.
Am Gate bin ich erfreut: Das Flugzeug (eine Boeing 737-8K5, OM-GTI
) der Go2Sky ist nach dem Flug von Lanzarote schon am Gate (A01). Dann kann das nur meiner geplanten Bootsfahrt ja sogar noch was werden. Um kurz vor 4 Ernüchterung: technisches Problem. 4:40 kommt die Ergänzung: Sie wissen nicht ob das Ersatzteil hier zu bekommen ist. Gegen halb 6 beobachten wir, dass die Koffer ausgeladen werden. Wir werden per Bandansage um 30 Minuten vertröstet. Gegen 6.25 werden wir im nochmal um eine Stunde vertröstet, bekommen aber schon um 6.40 die Ansage, dass der Flug abgesagt ist. Es werde jetzt ein anderes Flugzeug gesucht, das könne 5 bis 6 Stunden dauern. Wir können ins Hotel Maritim gegenüber des Flughafens. Unser Gepäck sollen wir noch abholen.
Bei der Gepäckausgabe wundert mich, dass dort kein Band mit XR2061 aus Hannover ist. Der Raum ist komplett vollgestellt mit Gepäck. Eine Mitreisende erzählt mir später, dass es bereits seit ca. 8 Wochen da steht und von Messebesuchern stammen soll, die wegen des Flugchaos' keine Zeit hatten, es abzuholen. "Wenn irgendwo Gepäck rum steht, kriegen sie gleich 'ne Krise und hier stehen sie alle auf einem Haufen.", meint jemand. Ich schließe mich zwei Mädels an, die auch kein Gepäck haben, da sie auch nur für einen Kurztrip unterwegs sind. Außerdem kennen sie den Weg zum Hotel. „Die Maritim-Hotels sehen echt alle gleich aus.“, meint eine. Aber in diesem steht in der Lobby ein recht großes Modell eines Flugzeugs von TUIfly. Die beiden haben zusammen 120 Euro für den Flug bezahlt, also weniger als ich. Sie meinten, der Flug mit TUIfly um 6:20 wäre sogar noch 5 Euro pro Nase günstiger gewesen, aber da wäre für ihren Kurztrip von 5 Tagen schon zu viel vom ersten Tag weg gewesen.
Beim Check-in im Hotel bekommen wir bereits die Zeit fürs Mittagessen gesagt. Da merke ich: Die Sache ist ernst. Frühstück gibt es auch, aber dafür bin ich zu müde. Ob wir bei Abflug geweckt werden, sind die Aussagen des Hotelpersonals widersprüchlich.
Nachdem ich einige Stunden geschlafen habe, schaue ich nach, wie viel so ein Trip mit Ryanair von Münster kostet: Hin 19,99, zurück 44,99. Jannik angerufen, er kommt vielleicht auch mit. Läuft.
Dann gehe ich in die Lobby. Ich quatsche mit einigen Leuten, die dort sitzen. Gerade (um 12:20) landet der Corendon-Flug XC6407 von Antalya nach Düsseldorf unerwartet in Hannover – vielleicht das Ersatzteil aus Corendons Basis? Dann gibt es um 12:30 Mittagessen. Offenbar nur für uns. Hähnchenschnitzel, Gemüse (Karotten gelb und orange, Erbsenschoten, Spargel) und Kartoffeln. „Die kennen das schon“, meint jemand. Die Bedienung sagt beim Abräumen: „Ich hoffe, es hat wenigstens ein bisschen geschmeckt.“ Ich frage mich, warum sie so negativ ist.
Auf der Website des Flughafens ist die Abflugzeit korrigiert worden. 1:55. Ich halte das für ein Gerücht da die Zeit so genau wirkt. Ich quatsche im Saal noch mit einigen weiteren Gästen. Um 13:40 schreibt das Hotel etwas an die Flipchart, die sie nur für den Flug aufgestellt haben: Abendessen 20–21, Abflug 1:55, Check-in 23:00.
Einige Leute gehen zum Flughafen. Besagter Flug aus Antalya ist schon um 12:57 weite rnach Düsseldorf geflogen. Auf der Anzeigetafel steht unser Flieger nicht. Wir fragen beim Schalter von AHS, die die Abfertigung übernimmt. Die Frau dort ist zwar etwas sehr stark geschminkt, aber nett und hilfsbereit. Sie bestätigt uns die Abflugzeit und erzählt uns ein bisschen was zu Fluggastrechten. Dann steht unser Flieger auch auf der Anzeigetafel. „Dass denen das nicht peinlich ist...“, meine ich.
Wir gehen zur Aussichtsterrasse, aber die befindet sich in einem Museum und das kostet Geld.
Inzwischen habe ich mich entschlossen, nach Hause zu fahren. Ich gehe zur S-Bahn, aber da fällt mir ein, dass ich noch die Zimmerkarte habe. Und nur noch 5 Minuten. Ich renne zum Hotel, lege sie mit den Worten „Ich hab keine Lust mehr“ auf den Tresen und renne zurück zur Station. Die S-Bahn kann aber nicht losfahren. Grund: Türprobleme. Und das, obwohl die Züge ganz neu sind.
Unterwegs bitte ich mein erstes Hotel um Verschiebung. Die Gastgeberin sagt zu, lehnt meine Umbuchungsanfrage aber später bei Booking.com ab. Das zweite Hotel akzeptiert meine Umbuchungsanfrage freiwillig. Den Rückflug bei Ryanair buche ich um, was 45 Euro kostet (also nicht den Wert der Buchung um 45 verringert, sondern in jedem Fall zu zahlen ist – dafür wird aber der Handgepäckzuschlag übertragen, sodass die Umbuchung trotz 44,99 Euro Flugpreis sinnvoll war; eine Umbuchung von einfachem Flug auf Hin- und Rückflug ist vermutlich aus genau diesem Grund nicht möglich). Ein neuen Hinflug buche ich bei Booking.com – 28,99 mit großem Handgepäckstück.
Ich schicke Corendon eine E-Mail, dass sie nicht auf mich warten sollen, aber die im Impressum angegebene E-Mail-Adresse funktioniert nicht.
Jetzt stellt sich eigentlich nur eine Frage: Wohin fahre ich morgen mit dem 9-Euro-Ticket?
Auf Nachtrag:
Obwohl auf der Anzeigetafel bereits „Einsteigen“ steht und es auf dem Bild kurz vor 14 ist, kommt das Flugzeug erst kurz vor 16 los. Auch der Flug nach Korfu wird mit diesem Flugzeug durchgeführt, also dem ursprünglich eingeplanten. Er erreicht Korfu 22:44 Stunden verspätet.
Flug | Von | Nach | STD | ATD | STA | ATA |
---|---|---|---|---|---|---|
XR2061 | HAJ | CFU | 04:00 | 07:30 | ||
XR2062 | CFU | HAJ | 08:20 | 10:00 | ||
XR2067 | HAJ | HRG | 14:00 | 15:52 | 18:50 | 20:25 |
XR2068 | HRG | HAJ | 19:50 | 21:45 | 01:10 | 02:15 |
XR2061 | HAJ | CFU | 01:55 | 03:55 | 06:30 | 07:14 |
XR2062 | CFU | HAJ | 08:18 | 09:34 |
OM-GTI
Fluggastrechteportale lehnen Forderungen gegen Corendon ab, da sie die Finanzlage zu schlecht einschätzen. Ich probiere es erstmal über deren Portal. Der Eingang wird mit am Tag nach dem Flug bestätigt – an dem das Land Niedersachsen ein Verbot von Vorkasse bei Flügen fordert. Das passt.